INTERVIEW MIT DEN BACK CHATS (#3)

Es war vor circa drei Jahren. Ich veranstaltete ein Konzert mit 1982 und lernte dort Tim kennen. Seines Zeichens Gitarrist bei 1982. Er erzählte mir an diesem Abend, das er noch in einer weiteren Band spielen würde, den Back Chats. Soweit, so gut. Irgendwann später kaufte ich mir die Debut LP „Human Wastelands“ der Back Chats, ohne zu wissen, was mich erwarten würde. Ich legte die LP auf den Plattenteller und war vom ersten Ton an begeistert. Großartiger Punkrock, rauh und trotzdem melodiös, dazu noch der geniale Gesang von Anke. Dazu noch Texte, die auch etwas aussagten und nicht nur Punkrockeinerlei wiedergaben. Wow, ich war hin und weg.
Irgendwann später traf ich Tim auf einem 1982 Konzert wieder und er drückte mir eine CD mit allen Aufnahmen der Back Chats in die Hand und fragte mich, ob ich vielleicht die neue Platte der Back Chats auf meinem kleinen Matula Label rausbringen wollte. Nach kurzem Überlegen, sagte ich zu, und wurde nicht enttäuscht. Auf ihrer neuen Platte „Protect me from what I want“ haben sich die Back Chats selbst übertroffen. Und auch wenn das jetzt nach billiger Schleichwerbung anhört, die neue CD der Back Chats ist der Hammer und gehört in jeden gut sortierten Plattenschrank.
Aber nicht nur das die Back Chats super Musik machen, sie sind auch super symphatische Menschen, die ihre Musik nicht nur einfach spielen, sondern das was sie singen, auch leben. Das alles war Grund für mich, ihnen ein paar Fragen zu stellen.
Back Chats sind Anke, Michele, Lars, Tim und Pöppel. Die Fragen beantworteten Michele (=M), Tim June (=TJ) und Pöppel (=P).

Wie geht es euch so im Moment?

TJ: Och, ganz gut. Wir haben gerade eine sehr aktive Phase, viele Konzerte und auch schon ein paar neue Ideen an denen wir arbeiten. Gigs wie z.B. Ende November im Stoertebeker, Hamburg zusammen mit WWK und KOYANISQUATSI laden den Akku ganz schön auf. Wenn mensch sich mal wieder so richtig zu Hause fühlt und sich drüber freut mit so vielen Menschen auf einer Wellenlänge zu sein. So warm, so herzlich , so Mut machend – dass der eigene Weg der richtige ist…

P: Persönlich: Der Winterblues hat zugeschlagen. Bandintern: würde ich sagen das wir in einer kleinen Findungskrise stecken. Was aber nicht unbedingt negativ zu verstehen ist. Sprich, sich mal ein paar Gedanken über die nächste Zeit machen schadet glaub ich nicht.

Eure neue CD „Protect me from what I want“ ist jetzt ja schon ein Weilchen draußen. Die Reviews zu der CD könnten unterschiedlicher ja nicht sein: Einerseits in den Himmel lobend, wie im OX, andererseits gibt es auch böse Verrisse, wie im Trust. Wie erklärt ihr euch das?

P: Im Trust gab’s ja die darauf folgende Ausgabe ne neue, wesentlich positiver ausgefallene Besprechung. Das wir mit der Platte nicht jeden Geschmack treffen würden, war glaub ich allen von uns schon vorher klar. Wir machen halt auch keinen glatten Kram und hören uns nicht an wie die letzten 5 Social Distortion oder Hives Scheiben. Damit kann halt nicht jeder was anfangen.

M: Das dürfte an den unterschiedlichen Geschmäckern der Rezensenten liegen. Wenn der Andreas (Trust) die Platte hasst und der Ox-Mensch sie mag, dann ist das eben so. Persönlich beleidigt fühl ich mich dadurch nicht, geht ja nur um die Musik. Nichtsdestotrotz liest man gute Kritiken natürlich lieber…

TJ: Mir gefällt das Album ausgezeichnet und es ist mit Sicherheit das komplexeste und Sound mäßig beste Material enthalten was wir bisher an der Hand hatten. Bisher überwiegt ja auch deutlich die Zustimmung und der Typ aus`m Trust 108 hat ja im Prinzip nicht unsere CD besprochen sondern irgendeinen Film gefahren. Schlagworte wie: „Brrr….schlecht, schlecht, schlecht“ sind bei uns zum running gag geworden. Das Review hat seinen Ehrenplatz im Proberaum!

Wie lebt sich in einer Ex- Hauptstadt? Welche Veränderungen hat der Regierungsumzug nach Berlin für Bonn gehabt? Und spielen diese Veränderungen eine konkrete Rolle in eurem alltäglichen Leben?

P: Direkte nachteilige Veränderungen, wie befürchtet (Aussterben der Innenstadt, Verlust von tausenden Jobs etc.) hat der Regierungsumzug für Bonn und seine Bewohner eigentlich nicht gebracht. Im Gegenteil. In die Stadt sind genügend „Entschädigungszahlungen“ aus den Steuerngeldern der gesamten Bevölkerung dieses Landes geflossen. Die Stadt hat sich in verschiedenen Bereichen recht ausschweifend saniert. Ob das nun wieder an den richtigen Stellen eingesetzt wurde, lässt sich bezweifeln. Außerdem sind wir ja stolze (?) Besitzer eines riesigen Post-Towers und unübersehbaren T-Mobile, T-Online und Telekom Prachtbauten.

TJ: Das Bonn mal Hauptstadt war kommt in der Stadt nur als Randthema vor. Soll heißen, es hat sich zwar schon was verändert, gerade im ehemaligen Regierungsviertel aber nicht so gravierend. Dort wo früher der Kohl rumlief wächst jetzt Unkraut und es stehen viele Villen und Bürogebäude leer. Und seit die Regierung weg ist wird Bonn von einer allgegenwärtigen Telekom terrorisiert. Mittlerweile werden schon Buslinien nach dem ehemaligen Fernmeldeamt benannt. Es sind aber auch viel weniger Bullen in der Stadt unterwegs.

M: Vom Regierungsstatus hab ich wenig mitbekommen, außer dem ein oder anderen bekannten Gesicht am Bahnhof, gibt halt wesentlich weniger Demos jetzt und weniger Cops.

Bonn, als verhältnismäßig kleine Stadt, bringt ja schon seit beständig gute und bekannte Bands hervor. Spontan fallen mir da Canalterror, Molotow Soda, Guts Pie Earshot, Oddballs Band, The Loonies, Lunchbox, 1982 oder ihr, ein. Zudem gab/ gibt es immer wieder ziemlich gute und aktive Labels wie Scene Police, Weird Science oder Revolution Inside. Woran liegt das?

M: Bei den von dir angesprochenen Bands und Labels gibt es ja mehr oder weniger große Personalüberschneidungen. Es gibt nen Haufen Leute, die teilweise schon seit Ewigkeiten aktiv sind und das ermutigt vielleicht auch andere, was zu starten bzw. sind schon „helfende“ Strukturen vorhanden. Vielleicht liegt es aber auch am Trinkwasser…

P: Kann ich gar nicht sagen. Wobei die Szene eigentlich sehr überschaubar ist. Jeder kennt jeden, viele machen mehrere Sachen parallel.

Wie bewertet ihr die aktuelle Punkszene in Bonn und Bundesweit?

P: Also ich mit sehr gemischten Gefühlen. Wenn du solche Konzerte spielen darfst wie z.B. im Störtebeker in Hamburg mit WWK und KOYAANISQUATSI, weißt du warum du das ganze machst und warum du überhaupt noch Interesse hast, „dabei zu sein“. Oft gibt es aber genau gegenteilige Momente. Du merkst einfach, dass es vertane Zeit und Mühe ist irgend welche Meinungen/Ideen/Gefühle/Inhalte weiter verbreiten zu wollen. Die Szene ist außerdem momentan viel zu gespalten. „Anti Amerikanisch“ oder nicht, „Anti-Deutsch“ oder nicht, „Punkrock“ oder vielleicht doch „Rock´n´Roll“, zuviel politisch, zu wenig politisch…. etc. etc. etc. Alle denken von sich was besseres zu sein, die anderen sind Idioten und alle haben es neu erfunden. Das macht sehr viel kaputt, denk ich. Amen.

M: Gibt es überhaupt eine Punkszene? Ich habe eher den Eindruck, dass es viele kleinere Szenen gibt, die sich voneinander abgrenzen (= Identitätsstiftung) und teilweise recht wenig Toleranz gegeneinander aufbringen.

TJ: „Alles geht weiter“ um mal die Arseholes zu zitieren. Ich würde Punk jetzt ungern Bonn spezifisch betrachten. Ich finde schon das Punk mäßig immer noch viel geht, wenn gleich sich das aber leider kaum in bekannten Bands äußert. Es gibt viele Leute aber auch viele die nur mitlaufen und konsumieren was gerade gepusht wird. Mich interessieren Bands nicht welche sich ausschließlich in Klischees bewegen und ihre Vorbilder rezitieren ganz besonders dann nicht wenn den Vorbildern bei der Adaption jeglicher Tiefgang entzogen wird, dass passiert z.B. regelmäßig bei Bands die auf THE CLASH machen. Das scheint nicht immer ehrlich. Ein Teil von Punk ist sich selbst auszudrücken und zu reflektieren aber das Agieren nach außen hin ist auch ein wichtiges Element. Schade, dass dies im Moment keine große Rolle spielt. Mir völlig unverständlich, leben wir doch in der bedeutsamsten Phase seit zig Jahren… Innen- wie Außenpolitisch. Der Erdball brennt lichterloh und wir interessieren uns, als Teilhaber/innen einer selbstgewählten Protestkultur, vordringlich für das Aufrechterhalten von Klischees und Modestilen. Da braucht doch niemand Punk für… Ich dachte wir wollten ein anderes Leben ?!

Ihr spielt ja zum Teil noch in anderen Bands (1982, Popperkloper…). Wie lässt sich das alles mit den Back Chats koordinieren? Ich stelle mir das ziemlich schwierig vor, Konzerte oder Proben klarzumachen.

P: Back Chats sind ganz klar die Verlierer in dieser Sache. Liegt aber auch an unserer bandinternen Unschlüssigkeit, spontan genug auf Anfragen etc. zu reagieren. Da haben dann die anderen beiden Bands meistens schon ein halbes Jahr im voraus geplant. Mit POPPERKLOPPER proben wir alle 3 Monate 1 mal. Für Back Chats bleibt zumindest zum Proben eigentlich genug Zeit.

TJ: Es fragen aber auch wesentlich mehr Leute nach Popperklopper und 1982 Auftritten an. Vielleicht exemplarisch für die Nachfrage der Szene nach neueren Bands. Andererseits hab ich meinen Anteil an den Back Chats Studio Kosten vorwiegend mit 1982 Erlösen bezahlt. Auch Popperklopper haben uns auch schon öfter finanziell aus der Patsche geholfen.

Wie entstehen eure Songs? Kommt jemand von euch mit dem fertigen Song in den Proberaum und der Rest muss das dann spielen, oder ist erst der Text da und dann kommt die Musik, oder entstehen die Songs durch rumprobieren oder wie?

P: Sowohl als auch. Ich bin immer mehr fürs „Jamen“. Macht mir mehr Spaß. Im Kopf werden dann Ideen ausgetüftelt und beim nächsten mal vertieft. Zu Hause entsteht aber auch der ein oder andere Song.

TJ: Beim neusten Stück z.B. so: Pöppel spielte einfach nen Riff, dass wurde etwas variiert, dann der Michele zu einem fetzigen Bass Intro überredet, Lars rhythmisierte, ich kreierte ein wenig Düdelledüdeldü und Anke fragte schließlich entsetzt: „Wo soll ich denn da noch singen?“. Ein typisches Back Chats Stück eben. Manche Songs entstehen aber auch daheim und werden erst im Proberaum dem Bandcheck unterzogen und was dort keine halbwegs ungeteilte Zustimmung findet läuft auch nicht. Spätestens im Studio gibt sowieso jeder seinen Senf dazu und dann knallen auch mal die Türen. Insgesamt werden Musik wie auch Texte von Allen beigesteuert. Was wir live an Material spielen ist natürlich auch Konsens, mal von NOBODY HAS THE RIGHT TO RULE YOU oder INFANT KILLER abgesehen, dass sind Stücke mit denen die meisten fest rechnen und dafür Eintritt bezahlt haben… kann man dann nicht einfach weglassen.

<„Anti- Bushism“ ist zur Zeit ja stark verbreitet. Nicht nur in der Linken oder der Punkszene, sondern auch im Mainstream ist „Anti- Bushism“ sehr verbreitet, während deutsche Verhältnisse wie zum Beispiel die fortwährende Militarisierung Deutschlands und der EU, die schärfer werdene Repression durch Innere Sicherheit oder das sich immer krasser verschärfende Grenzregime und die Flüchtlingsabwehr an den EU- Außengrenzen, kaum thematisiert werden. Wie erklärt ihr euch das?

TJ: Die Regierung der USA ist untragbar, sie verstößt permanent gegen Menschenrechte. Anti-Bushism ist völlig in Ordnung wenn es nicht allein bei der kritischen Betrachtung der US Regierung bleibt. Aber häufig drehen in da Leute unendlich auf und plappern Michael Moore Filme nach, welche noch nicht vor der Haustür politisch durchblicken, geschweige denn sich dafür interessieren. Das halte ich für eine sehr unglückliche Entwicklung. Ist mir schleierhaft warum. Der Anti-Amerikanismus ist ja paradoxer weise schon selbst ein Produkt, es gibt kommerzielle Filme, Bücher und sogar T-Shirts. Ist mir alles sehr suspekt. Die Fassade fällt aber dann, wenn erklärte Bush Gegner, Verständnis für die momentane Hetzkampagne gegen Migranten/innen aufbringen… Plötzlich wie aus dem Nichts, zieht die Politik mal wieder eine braune Grimasse und alle nicken eifrig und übertreffen sich im brandmarken abweichender Kulturvorstellungen. Soviel Problem Bewusstsein bei der breiten Masse würde ich mir wünschen, wenn es darum geht das Menschen ihren Job verlieren, gar keine Arbeit haben, in Altenheimen dahinsiechen oder noch schlimmer als unerwünscht abgeschoben werden. Wenn es mal darum geht sich für andere einzusetzen. Wir sollten bei alle dem aber auch Verbrecher im Ausland wie z.B. einen Putin oder die Fundamentalisten Spinner im Irak nicht aus dem kritischen Auge verlieren. Global denken – lokal handeln.

P: Ich denke das die Politisierung der Leute, jung und alt, sehr nachgelassen hat. Es wird sich nur noch (wenn überhaupt) aus den täglichen Schlagzeilen, wie Bild oder Pro 7-Nachrichten über das politische Geschehen informiert. Wobei Nachrichten wahrscheinlich vom größten Teil der Leute eher zufällig gesehen werden. Sich über Inhalte, Zusammenhänge oder ähnliches zu informieren kommt für viele nicht in Frage. Das ist halt, wie in vielen Bereichen unserer Gesellschaft, ein dahin siechen, und auf alle Hetzerein seitens der Regenbogenpresse“
anspringen. Der Rest interessiert nicht.

Wie ist eure Meinung zu Webseiten wie conservativepunk.com oder punkvoter.com? Denkt ihr, die Punkszene sollte sich zu auf diesem Wege in die Realpolitik einmischen und Wahlempfehlungen aussprechen?

M: Ich kenne die Seiten ehrlich gesagt nicht (scheinen amerikanische zu sein). Aber Punx-fuer-Schroeder.de oder Merkelpunk.de braucht ja wohl kein Schwein. Sollte doch wohl jeder selber wissen wen er wählt, ob er wählt oder wie mensch den Stimmzettel ungültig macht.

TJ: Diese Typen sind unsere politischen Gegner und wenn sie sich als Punx bezeichnen ähnlich seltsam wie ihre Ansichten und in meinen Augen keine Mitglieder der Familie.

Euer Kommentar zur Wiederwahl George W. Bushs?

M: Wenn George W. und Konsorten weiter an ihrem fundamentalchristlichen Gottesstaat basteln tun mir die vielen libertär denkenden Amerikaner, die es zweifelsohne gibt, extrem leid. So steht z.B. zu befürchten, dass demnächst einige Richter des Obersten Verfassungsgerichtes ausgetauscht werden mit dem Ziel, Abtreibungen wieder zu kriminalisieren usw. usf. Bleibt nur zu hoffen, dass das immer mehr Leuten derart auf den Zeiger geht, dass sich ernsthafter Widerstand organisiert. Das gilt in gleichem Maße aber auch für Deutschland und den Rest der Welt, wäre schön, wenn es zu einer Solidarität der Globalisierungsverlierer und vom Fundamentalismus jeder Couleur Unterdrückten käme, ich habe aber so meine Zweifel, da es anscheinend recht gut klappt, den Menschen so viel Angst einzujagen (vor Arbeitsplatzverlust, islamischen Killerkommandos in Buxtehude, Kinderschänder lauern hinter jeder Ecke), dass die am unteren Ende der Leiter sich jemanden suchen, der noch schwächer ist, um auf ihn einzuprügeln.

P: Schlimmes Ding. Dummes Volk (zumindest ein großer Teil der US Amerikaner).

TJ: Alle Systeme unterdrücken und alle amerikanischen Präsidenten werden vom Großkapital beeinflusst. Aber im kleinen gibt es sehr wohl Unterschiede für die Menschen, gerade was Anti-Rassismus etc. angeht. Auch deswegen wäre mir Kerry lieber gewesen. Auf der anderen Seite können die Amis, weil weiter ohne eindeutiges UN Mandat, den Irak nicht völlig nach Belieben plündern.

Wie steht ihr zu dem Thema „filesharing“. Eure erste LP habt ihr ja komplett als Download ins Netz gestellt, von der neuen CD dagegen nur vier Stücke. Warum? Und denkt ihr, das kleine Bands durch „filesharing“ weniger Platten verkaufen? Oder einen Nutzen davon haben können? Spielt „filesharing“ in der Punkszene überhaupt eine große Rolle?

P: Ich finde es wichtig, mit dem von vielen Seiten so gehasstem MP3-Format zu arbeiten. Man muss es für seine Zwecke nutzen. Ob es sich für große Bands lohnt, das komplette neue Album ins Netz zu stellen, bezweifle ich auch, für Bands mit unserer Größe/ Bekanntheitsgrad kann das nur helfen. Ich für meinen Teil brenne mir nie Platten. Ich lade mir zwar MP3 aus dem netz, aber nur aus dem einfachem Grund, das ich klären möchte, was mir gefällt und was nicht. Sagt mir das ganze zu, kauf ich mir die Platte.

M: Von der ersten Platte waren nicht von Anfang an alle Stücke im Netz, erst nachdem klar war, dass wohl keine CD-Version herauskommen würde. Ich denke, die neue wird irgendwann auch komplett im Netz sein, aber irgendwie müssen ja auch die Umkosten einigermassen wieder reinkommen. Filesharing ist für mich ne recht zwiespältige Angelegenheit, einerseits ist das Rumgeheule der Majors angesichts von CD-Preisen zwischen 15 und 20€ nur peinlich, andererseits widerstrebt mir die Konsumentenmentalität die das Filesharing mit sich bringt total. Du kannst dir binnen kürzester Zeit unglaublich viel Musik für lau verschaffen, die dann irgendwo auf deinem Rechner oder nem hippen I-Pod landet, hörst dir das ne Woche an und schon wird wieder neues Zeug runtergeladen. Das ist Wegwerfkultur par excellence, irgendwie beliebig und seelenlos, nicht mein Ding.

TJ: Ich finde Anti-Copyright okay, wenn beteiligte Künstler selbst dahinter stehen. Ich bin aber mittlerweile dagegen komplette Platten ins Netz zu stellen, weil sich dann weniger Leute für die Originale interessieren. Alte vergriffene Platten sollten aber unbedingt ins Netz gestellt werden, spricht ja nix gegen.

Eure LP und die 7“ erschienen ja auf Poeppels Weird Science Label. Die neue CD dagegen nicht mehr. Warum?

P: Das ist, wie fast immer, ein Kosten und auch Zeit Problem geworden. Manchmal will man halt alles machen, kriegt das aber beruflich und privat zeitlich einfach nicht mehr gebacken. Dann bleibt es nicht aus, das man hier und da etwas vernachlässigt. Die Folge: Andere oder auch man selber ist unzufrieden. Und das bringt es dann auch nicht mehr. Das ganze Label ist erst mal auf Eis gelegt.

Seht ihr Back Chats selbst als politische Band. Und wenn ja, wie zeigt sich das?

TJ: Na klar sind wir politisch. Aber nicht im engsten Sinne. Es steckt halt einfach drin, ist Teil der Seele dieser Band von Anbeginn aber wir definieren das innerhalb der Gruppe nicht genau. Wir haben keine gemeinsame Weltsicht, wir sind manchmal wie fünf Fenster auf ein und den selben Hof – mit abweichender Perspektive. Mensch lernt dabei auf andere einzugehen und zu hören. Deshalb haben wir aber auch stets, vor allem bei HERRSCHAFTSZEITEN, viele inhaltliche Diskussionen. Texte wie FOOD NOT BOMBS, GEFALLEN oder INFANT KILLER entbehren dagegen jeder Diskussion. Es ist zum Kotzen wie viele Menschen noch im 21. Jahrhundert weltweit unter Hunger, Kriegen und anderer Gewalt jeglicher Form leiden, dass macht traurig. Sehr traurig und diese Trauer sollte sich niemand nehmen lassen, sprecht aus was euch quält. Jeder Mensch der sagt: „Reden ändert nix und deshalb mach ich mir keinen Kopf drum und nehme alles wie es ist“ verlangsamt bzw. bremst die Entwicklung zu einer besseren Welt für alle. Wann werden die Leute begreifen, dass jeder die Zeit und das Klima in dem er lebt durch seine Anwesenheit mitbestimmt ? Geschichte ist nicht statisch. Ich für meinen Fall will keinen über mir und keinen unter mir und versuche das mein Leben lang umzusetzen. Auch wenn es manchmal schwierig ist – nicht Dominant zu handeln.

P: Ich würde sagen ja, wobei wir auch häufig nicht einer Meinung sind. Nicht nur im Thema nicht, sondern auch was die Radikalität anbelangt. Nicht alle aus der Band würden einem Text wie Herrschaftszeiten noch einmal zustimmen. Ich denke wir finden für uns da einen guten Mittelweg. Ich es wichtig darauf zu achten, nicht wie viele andere Bands, in Belanglosigkeiten zu verfallen.

M: Wir wurden mal in einem Gig-Review als „Antifa-Band“ bezeichnet und die Verfasserin meinte das wohl eher nicht als eine Art Gütesiegel. Bei einigen Leuten kommen wir wohl sehr „politisch“ rüber, ich denke aber nicht, dass wir diesen Eindruck auf Teufel komm raus forcieren und den Leuten was vorpredigen. Wir wissen schon, was uns anpisst und benennen das in den Texten, aber das sollte eigentlich selbstverständlich sein. Auf Dumpfparolen, Phrasengedresche oder Rock`n`Roll- Sexismus hab ich einfach keinen Bock.

Als eine Band die sowohl in Englisch, als auch in Deutsch und sogar in Spanisch singt, wie seht ihr die seit den 90igern immer wieder aufkommende Diskussion über eine Quote für deutschsprachige Musik im Radio?

M: Unsägliche Debatte. H.R. Kunze und Co wollen alle Jahre wieder unter Verweis auf die fehlende Talentförderung ihren eigenen Namen im Blätterwald lesen. Ich höre kein Radio und schaue nur selten Musiksendungen im TV (Tracks auf ARTE kommt manchmal recht gut), weil einfach nur nervige Scheiße läuft und das wird nicht besser, wenn 50% der Scheiße deutsche Scheiße ist.

P: Ich finde es nicht schlecht, deutschsprachige Musik zu fördern. Ob man aber eine Quote einführen muss ist wieder mal die Frage. Man muss ja nicht alles regeln in diesem Land, da gibt es schon genug. Und wenn etwas deutschsprachiges die Qualität besitzt, setzt es sich schon durch. In den letzten paar Jahren haben ja auch an deutschsprachige Songs und Interpreten zugenommen. Ob das allerdings alles Top Qualität hatte…

Wie sehen eure Pläne für die Zukunft aus?

P: Muß man noch klären. Wir fangen wahrscheinlich wieder von vorne an. Soll heißen neue Songs, neues Album.

TJ: Wie der Pöppel schon sagt. Neue Songs machen und spielen wo es geht. Aktuelle Infos zur Band gibt es neben Mp3s und Konzerterminen auf unser Homepage: www.backchats.de

Letzte Worte?

P: Danke an alle. Denkt nicht immer nur an euch, auch mal an andere!!!

Written by Falk Fatal

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