MORNING HAS BROKEN

Wir waren jung und die Sonne schien uns gewaltig aus dem Arsch. Wir hatten unser Leben noch vor uns und wir wollten feiern. Nichts konnte uns stoppen! Wir saßen in Tobias seinem alten, burgunderroten Opel- Corsa und waren auf dem Weg zu irgendeiner Party im Wald, die irgendeine Tanja geben wollte. Markus saß auf dem Rücksitz und war schon ein wenig angetrunken. Freitags hatte er immer um zwölf Uhr Feierabend und er machte das beste daraus. Zumindest für sich. So verließen wir die asphaltierte Straße, die Zivilisation und alles was uns heilig war. Wir fuhren auf einem lehmigen Pfad, der direkt in den Wald führte. Hinter uns lag der geliebte Beton und wir fühlten uns dadurch sicher nicht besser. Aber wir hatten Bier und in solchen Situationen kann das echt helfen. Ich machte mir mein erstes Bier des Tages auf und schaltete zurück in den ersten Gang, denn dieser Waldweg wurde ziemlich steil. Die ersten Bäume waren hinter uns und Tobias sabbelte was von: „Irgendwann müssen wir da vorne rechts“ und wenigstens hatten wir den Plan. Wir fuhren mit ca. 15 km/h durch den Wald und ich war sehr froh, das uns die Peinlichkeit erspart blieb, von einem Fahrradfahrer überholt zu werden.
Da vorne bog ich rechts ab, danach jammerte Tobias, wie diskriminierend es denn sei, das es keine Kaffeetassen für Linkshänder gebe. Er meinte diese Motivtassen. Diese wo Garfield oder Lee Majors oder Knight Rider drauf sind. Und er hat recht! Habt ihr schon mal mit links Kaffee getrunken? Natürlich nicht. Außer ihr seid natürlich Linkshänder. Man sieht wenn man Glück hat, ein absolut billiges Firmenlogo von Binger Marketing. Wie geil wäre es denn, wenn diese Firma einfach Trax heißen würde? Und ich muß ehrlich gestehen, aus diesem Blickwinkel habe ich diese ganze Problematik noch nie gesehen. Danke Tobias!
Mit geöffneten Augen bog ich links ab, tuckerte ein wenig weiter in den Wald hinein, betend, hoffentlich überholt uns kein Fußgänger und plötzlich schrie Markus: „Stop! Halt! Wir sind da.“ Ich drückte die Kupplung bis zum geht nicht mehr und ließ den alten, burgunderroten Corsa drei Zehntelsekunden ausrollen. Ich zog die Handbremse und wir stiegen aus. Die tolle Tanja wird zwanzig Party war ein Lagerfeuer und eine Hütte, in der wohl eine Stereokompaktanlage stand, denn aus dieser Hütte dröhnte Sting, Alphaville, DJ Ötzi und Marusha. Nach kurzem Hallo, lang nicht gesehen, wie geht´s wie steht´s, ach du bist wirklich Filialleiter der Volksbank in Wolmerschied? erfuhren wir, das das versprochene Freibier eben in jener üblen Musikhöllenhütte stand. Wir stürmten erst mal los und deckten uns fett mit Bier ein. Soviel wie jeder tragen konnte. Die Musik war die Hölle, je näher man ihr kam, desto wärmer war Luzifers Atem. Die Party war wie die Musik. Markus, der Tanja irgendwie kannte, wollte nicht unhöflich sein und wollte deshalb noch ein wenig bleiben. Wir tranken Bier und wurden mit jedem Bier unfreundlicher. Markus meinte, was zu kiffen wäre geil. Recht hatte er. Wir hatten leider nichts und diese Party im Wald glich der evangelischen Jugenddisko, der ich mal mit zwölf beigewohnt hatte. Es gab hier keine Drogen. Außer Oettinger Pils. Wir suchten und suchten und suchten, wir tranken und nippten noch an einem weiteren Bier, aber die fixe Idee auf dieser beschissenen Party noch irgendwie was zu rauchen zu bekommen, ließ uns nicht mehr los. Ist das so wenn man abhängig ist? Wir hätten auch Schnaps genommen. Es war so schlecht. Ca. 23 Leute saßen um das Lagerfeuer und zwei Mädchen bewunderten den Kerl der in der Hütte stand, wie er die CDs in den CD-Player schob. Ich war der Fahrerarsch, deshalb hatte ich bis dahin immer noch mein drittes Bier in der Hand. Ich musste natürlich mal einen Spruch reißen, der möglichst cool bei den anderen ankommt und sagte: „Wenn´s hier nichts zu rauchen gibt, dann fahren wir halt nach Holland und rauchen da geiles Gras.“ Tobias und Markus standen neben mir und fanden in diesem Moment wohl, das dies das intelligenteste war, was ich jemals gesagt hatte oder so und kurze Zeit später saß ich wieder hinterm Steuer und zuckelte mit ca. 20km/h aus dem Wald heraus.
Wir waren auf dem Weg nach Holland. Tobias und Markus waren vorher zum Glück so klug gewesen, aus der Discohöllenhütte eine Kiste Oettinger Pils zu nehmen und in den Kofferraum unseres Opel Corsas zu verfrachten. Als wir den Wald verlassen hatten, ließ ich mir ein Bier geben und nachdem ich einen langen Schluck genommen hatte, gefiel mir die Idee eines Hollandausflugs immer besser. Mittlerweile war es kurz vor zwölf und wir waren ziemlich gut drauf. Nicht mehr lange und wir würden in einem lecker Coffeeshop das beste Gras überhaupt rauchen. Auf der A3 hielten wir an einer Raststätte an, tankten voll und holten uns schon mal Knapperkram für den erhofften Fressflash. Hinter Köln hielten wir nochmals an einer Raststätte, um unsere dezimierten Biervorräte aufzufrischen. Die Fahrt vertrieben wir uns mit Biertrinken, Musikhören und Schwachsinn erzählen. Was man halt so macht, wenn man Auto fährt. Die Grenze passierten wir problemlos. Schlauerweise hielten wir unser Bier versteckt, denn hätte ich ins Röhrchen pusten müssen, wäre mein Lappen wohl weg und unsere Reise ins Kifferparadies zu Ende gewesen.
Hinter der Grenze hielten wir erst einmal kurz auf dem Standstreifen, stiegen aus unserem Corsa und prosteten uns zu. Genossen noch kurz die holländische Luft und stiegen wieder in unseren burgunderroten Opel- Corsa, Baujahr 1993. Wir nahmen direkten Kurs auf Venlo. Was besseres als den Tod sollten wir noch überall finden! Etwas später erreichten wir Venlo. Dort suchten wir erst einmal einen Parkplatz, wie das halt so ist in Städten, und selbst wenn sie nur 30.000 Einwohner zählen. Man sucht und sucht und sucht. Frau natürlich auch. Wir fanden schließlich einen ziemlich geilen Parkplatz mitten in der City auf einem fetten großen leeren Platz. Geil, wa? Große Klasse und großes Tennis sowieso. Nun war Rockenroll angesagt oder was wir halt dafür hielten. Die Karre vorschriftsmäßig geparkt, stiegen wir aus und begaben uns auf die Suche nach einem Coffeeshop. Markus meinte, er würde sich hier ein wenig auskennen und wüsste wo die ganzen Kiffershops seien. Das schien logisch, schließlich war er der Hardcorekiffer unter uns. So zogen wir durch die nächtlichen, menschenleeren Straßen von Venlo. Nach ewig langem rumirren und andauerndem „um die nächste Ecke ist einer, da bin ich mir ziemlich sicher“ Gequatsche von Markus, fanden wir schließlich auch einen. Doch dieser hatte leider zu. Es war ja auch erst halb vier oder so.
Das war natürlich nur ein dummer Zufall. Zumindest redeten wir uns das ein. Es gibt bestimmt noch zig andere Kiffershops, die nur darauf warten von uns gestürmt zu werden. So zogen wir weiter durch die Stadt mit dem immer gleichen Resultat bei jedem neuen Kiffershop den wir fanden. Alle waren geschlossen. Schöne neue Welt, scheiß Ladenschlussgesetz und überhaupt alles Scheiße! Da fahren wir Hunderte von Kilometern, nur um ein paar Gramm Gras zu bekommen und alle Coffeeshops haben zu. Wären wir doch bloß zum Asylantenheim in Eltville gefahren. Da hätten wir auf jeden Fall was zu rauchen bekommen. So ein Scheiß! Ist das so, wenn man abhängig ist? So oder so ähnlich war unsere Gemütslage…irgendwann gaben wir frustriert unsere Suche auf und beschlossen von nun an bessere Menschen zu werden. Der Startschuss war unser Beschluss zum Auto zurück zu gehen, um dort unseren Alkoholrausch auszuschlafen. Zum Glück hatten wir genügend Bier mitgenommen, welches nun fleißig durch unsere Kehlen floss.
Kurz bevor wir den großen Platz erreichten auf dem wir unser Auto geparkt hatten, trafen wir auf einen Rastafari. Da uns zu diesem Zeitpunkt sowieso schon alles egal war, quatschten wir ihn einfach an, ob er uns was zu rauchen verkaufen könnte. Ihr wisst ja wie das so ist mit Klischees. Meistens stimmen sie und er verkaufte uns zu unserer großen Freude ganze zwei Gramm, für die wir knapp 50,-€ bezahlten. Das war schon ein wenig überteuert. Er hatte uns einfach über den Tisch gezogen. So richtig abgerippt, aber das sei ihm zu gestanden…immerhin…eigentlich war uns das auch ziemlich egal. Wir waren einfach nur froh endlich was zum rauchen zu haben. Junkies halt…Euphorisch zogen wir zum Auto zurück, setzten uns in dieses rein und bauten gleich zwei Tüten auf einmal. Nachdem wir diese geraucht hatten, quatschten wir noch relativ kurz Dünnschiss und so langsam machte sich das ganze Bier, das wir seit Stunden in uns reinkippten, bemerkbar. Die beiden Tüten machten ihr übriges und unser Abbau war schneller als die Regierung Sozialleistung sagen kann. Wir schliefen ein…
Irgendwann später wurden wir durch das wütende Hämmern einer Faust gegen die Fensterscheibe unserer Fahrertür geweckt…Ich kurbelte das Fenster runter und fragte diesen alten Tüp mit grüner Schürze verschlafen, was das Rumgehämmere eigentlich solle. Ob er denn noch ganz klar in seinem Kopf sei…Aber er reagierte nicht so richtig auf meine Frage, stattdessen brüllte er nur unablässig: „ Verdwijnet! Van houwen! Wat vallt jou überhaupt een? Dat will zeggen mijn plaats! Verzwindet endelijk!“ Und dieses Kauderwelsch (schreibt man das so???) trug er sehr sauer vor…Ich verstand die Welt nicht mehr und vor alledem kein holländisch….bis Tobias brüllte: „Ey, schaut mal aus dem Fenster. Hier ist voll der Markt. Ey, guckt mal, da sind Marktschreier…“ Ich schaute mir diesen Tüpen genauer an, und wirklich, der sah aus wie ein richtiger Bauer…So mit Bart im Gesicht und grüner Schürze und Gummistiefel… Ihr wisst ja, wie das so ist mit diesen ganzen Klischees, die man mit sich ein Lebenlang herum trägt…meistens stimmen sie…
Und wir standen auf seinem Platz. Um uns herum waren schon überall Marktstände und der Markt war voll im Gange…Oh Mann, was für ein Schock! Wir waren alle ziemlich verkatert und natürlich noch besoffen von der letzten Nacht…Nichts wie weg hier! Ich spuckte dem Bauer ins Gesicht, zumindest wollte ich das…ich traf nur seine grüne Bauernschürzen und ließ den Motor an. Ich legte den Rückwärtsgang ein, trat behutsam auf das Gas, so wie das angetrunken halt geht und gab mir echt Mühe niemand umzufahren und wir machten uns schleunigst aus dem Staub.
Als wir aus Venlo draußen waren, hielt ich erst einmal am Straßenrand und gab uns die Möglichkeit, uns mal so richtig tot zu lachen…was wir auch taten…
Nachdem wir das eine oder andere Konterbier getrunken hatten, machten wir uns auf den Nachhauseweg…Holland ist immer eine Reise wert…

Written by Falk Fatal

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