Alles dreht sich nur noch um iPad, iPod und Lady Gagagagagaga. Die Musikindustrie liegt immer noch am Boden. Wirklich kümmern tut das niemand. Warum auch. Die beste Musik kommt sowieso von unten, dem sagenumwobenen Untergrund. Warum? Weil es immer wieder coole Typen gibt, die sich einen Scheißdreck um Verkaufszahlen, Return-on-Investment und dem aktuellen Trend scheren. Sie gründen einfach ein Label und veröffentlichen die Musik, die sie lieben – wie die Jungs von Hectic Society. Am Samstag feiert das Wiesbadener Punkrocklabel seinen ersten Geburtstag.
Was bringt drei eigentlich vernunftbegabte junge Männer dazu im Jahr 2010 ein Plattenlabel zu gründen, wo doch die komplette Musikindustrie vor die Hunde zu gehen scheint, und dann als erste Veröffentlichung gleich eine Vinylsingle rauszuhauen, die in keinen iPod passt?
Hannes: Das hat alles ganz romantisch begonnen. Wir haben uns zu nem Bierchen getroffen und wollten uns eigentlich drüber unterhalten, wie wir das ganze Wiesbaden-Konzert-Ding etwas antreiben können, dann habe ich dem Ben von den Driftwood Fairytales erzählt. Schnell war klar, dass wir mehr als Booking machen wollten und nahmen die Demos von den Driftwoods als Anlass das Label zu gründen. Eine Split musste her und wie der Zufall es so wollte, saß der Üni von Crapstar gerade am anderen ende der Theke und alles war unter Dach und Fach.
Ben: Genau aus diesem Grund. Wer hat denn nicht hunderte megabyte Musik auf seiner Festplatte? Vinyl ist da einfach persönlicher. Wir wollen mit dem ganzen Ding ja kein Geld verdienen. Uns geht es da mehr um den Spass an der Sache.
Basti: Ich glaube das gerade Vinyl weiterhin Zukunft hat. Also meine ersten original CD´s aus Ende 80er / frühe 90er gehen langsam schon kaputt. Außerdem altbekannte Gründe: CD Cover sind klein und scheiße, Downloads mögen ok sein. Ich bin kein Freund von Musiküberflutung in der Form das alles auf den Rechner gezogen wird was geht und dann gar nicht mehr bewusst Musik genossen wird. CD`s kann jede(r) brennen, ne echte Schallplatte ist schon was feines. Im Punk/Indie/Techno-Bereich war Vinyl ja nie ganz weg. Und wie Mensch auf so eine Idee kommt, weiß der Interviewer ja auch selbst ganz genau 🙂 Und ein weiterer nicht zu verachtender Grund ist: Endlich ein Interview für den mittelfinger zu geben. Hat fürs Punkrockradio bisher trotz 5-Jahres-Jubiläum nicht geklappt. (Alles nur eine Frage des Geldes, der Interviewer)
Wer genau steckt hinter dem Label?
Basti: Hannes, Ben, Basti, und die graue unbekannte Eminenz.
Hat der Name eures Labels eine tiefere Bedeutung?
Basti: Ben hat unter dem Namen schon vor Labelgründung Konzerte organisiert und das müßte er tiefer gehend beantworten. aber der Name passt wie die Faust aufs Auge zur heutigen Gesellschaft. Aber wir wollen uns hier nicht als Ruhe und innerer mitte suchende Hippies präsentieren. Deshalb passt der Name auch zu uns. Ich habe ja nicht umsonst Stress, Streit, Termine auf die Brust tattoowiert. (War das nicht Eintracht, Frust, Niederlage?, der Interviewer)
Ben: ‚hectic‘ stammt noch aus meiner Zeit in Melbourne. Ein Arbeitskollege hat das für alles verwendet, dort ist alles ‚hectic‘. Irgendwie passt das ja auch ganz gut zu unserer heutigen Gesellschaft. Alles muss immer schneller, höher und weiter gehen… Nach der Crapstar/Driftwood Fairytales Split-7“ habt ihr ja noch weitere Platten veröffentlicht. Welche waren das?
Hannes: Eine Split-Single mit Francesco und All Aboard! Dazu haben wir noch das erste Album vom WBN Squad Wiesbaden supportet!
Habt ihr einen bestimmten Stil, einen bestimmten Hectic Society-Sound?
Basti: Es sollte uns Dreien gefallen. Das ist das wichtigste Kriterium. Unser Musikgeschmack ist vielseitig und nicht auf Punkrock in welcher Form auch immer reduziert. Wenn wir die Band – auch persönlich, wenn möglich- mögen dann machen wir ausgewählte Veröffentlichungen. Ist natürlich auch eine Geldfrage. Wir können leider nicht alles rausbringen, was wir gerne würden.
Ben: Jeder von uns hat da seine eigenen Lieblinge, aber grundsätzlich bewegt sich das aber alles im Punkrock-Bereich.
Hannes: Ich denke, dass kann man nicht genau sagen. Jeder von uns hört so seinen Kram, und natürlich tauschen wir uns immer aus. Das ist schon cool, wenn mir einer von meinen beiden Kollegen mir neues Zeug zum hören gibt. So bleibt man auch immer offen für neue Sachen, außer es ist halt Oi oder Rumpel-Pumpel-Punk – denn ich habe einfach das Punker-Diplom nicht bestanden.
Was muss eine Band mitbringen, damit ihr eine Platte mit ihnen veröffentlicht?
Ben: Natürlich muss der Sound uns gefallen und es sollte auf jeden Fall menschlich passen.
Hannes: In erster Linie muß es menschlich passen, ist die Band nett und die Musik gefällt uns, dann wird auch was daraus. Wir verdienen mit Hectic Society ja auch kein Geld – klar, wenn was hängen bleibt ist es cool – aber ich persönlich ziehe eher meine Energie daraus Leute kennen zu lernen, die so ticken wie wir. Das ist echt immer wieder spannend und es sind schon die einen oder anderen Freundschaften daraus entstanden.
Mit welchen Veröffentlichungen können wir demnächst von Hectic Society erwarten?
Ben: Anfang März, pünktlich zur Ein-Jahres-Feier bringen wir die koeter 10″ raus, dann kommt die Prinzessin Halt’s Maul/Front-Split und die Planungen für ein Buch haben schon begonnen. Das erste Driftwood Fairytales-Album wird dann im Sommer kommen.
Ihr veröffentlicht ja nicht nur Platten, sondern veranstaltet auch in Wiesbaden Konzerte. Ist das nur ein Promotrick, um euren Labelbands Auftrittsmöglichkeiten in Wiesbaden zu verschaffen oder verfolgt ihr damit größere Ziele?
Basti: Ja, das ist ein erfolgreicher Promotrick. Du alter fuchs Falk 🙂 Nee, wir haben schon vor dem Label Konzerte entweder selbst oder zusammen mit anderen organisiert. Wir haben in den wenigen tollen Clubs in Wiesbaden gearbeitet oder tun dies noch. Da liegt es nahe, ab und an gute Konzerte in eine schlechte Stadt zu holen.
Hannes: Es gibt einfach so viele Bands, die mal gehört werden sollten. Und viele Leute kennen guten Punkrock gar nicht, deswegen veranstalten wir immer mal wieder was oder legen Musik nach Konzerten oder in Kneipen auf. Natürlich wird da schonmal die eine oder andere Labelband eingeladen, wir sehen die ja auch nur so selten und irgendwann will man ja auch mal ein Bierchen zusammen trinken ;).
Ben: Wie Hannes schon sagte, eigentlich geht es da mehr darum, die Leute mal wieder zu treffen oder einfachen nur, weil die Band der Hammer ist. Ein Jahr Hectic Society.
Welches vorläufige Resümee könnt ihr ziehen?
Basti: Es nimmt viel Zeit in Anspruch, aber gibt auch enorm viel positives Feedback. Es ist immer schön, aktiv etwas zu tun und nicht bloß passiv zu konsumieren. Sei es Label, Fanzine, Radio, Konzerte machen, oder oder oder, all das kostet Zeit und Nerven und oft kommt die Frage wofür das alles? Aber am Ende macht es immer wieder Spaß und das ist der Hauptgrund weiter zumachen. Und irgendwann mal reich zu werden. Außerdem ist es zwar eine Wahnsinnsarbeit, Platten raus zu bringen, aber so schwer dann auch wieder nicht. Deshalb haben wir jetzt zwei prima Labels in Wiesbaden.
Ben: Viele nette Leute kennengelernt, eine Menge gelernt und viel zu viel Bacchus gehuldigt.
Hannes: Viele Spaß gehabt, viele Leute kennengelernt, ach und das Presswerk aus Bayern bekommt noch ne Tüte volle Windeln.
Am Samstag, 4. März feiern Hectic Society im Kulturpalast Wiesbaden gemeinsam mit Pascow, Prinzessin Halt’s Maul und Koeter ihr 1-jähriges-Bestehen. Weitere Infos zu Hectic Society und den Bands findet ihr hier:
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.