MIGHTY MIGHTY BOSSTONES: The Mythos der Jugend

Die Mighty Mighty Bosstones gelten als die Ska-Punk-Pioniere schlechthin. Seit fast 30 tourt sich die Band den Arsch ab und hinterlässt überall wo sie war, ein begeistertes Publikum. Bei den Die-Hard-Fans war deshalb die Trauer groß, als die Bosstones für vier Jahre eine Auszeit nahmen. Doch seit 2007 sind wieder zurück – und wie! Das alte Feuer brennt also noch. Drei Alben wurden seit der Reunion veröffentlicht. Das jüngste im vergangenen Dezember. Darüber und über die bewegte Geschichte der Band, die Anfang der 1980er im Hardcore-Mekka Boston begann, unterhielt ich mich mit Sänger Dicky Barrett.

Boston in den frühen 1980er Jahren: Die Stadt an der Ostküste der USA gilt zu diesem Zeitpunkt mit New York, Washington D.C. Und Los Angeles als eine der Hochburgen und Geburtsstätten des Hardcores. Doch ein paar Hardcore-Kids stehen nicht nur auf schnell und laut, sie mögen auch den damals seinem Ende entgegen gehenden britischen Two-Tone-Ska. The Cheap Skates gründen sich – eine Bostoner All-Star-Band, die aus Mitgliedern von Gang Green, Jerry Kids, Mission Impossible, Impact Unit und Stranglehold besteht. Die Band bleibt  jedoch nicht lange bestehen und löst sich auf.

The Story begins…

Etwa zur selben Zeit sind drei Schulfreunde ebenfalls vom Ska-Virus befallen und wollen eine Ska-Band gründen. Joe Gittleman, Nate Albert und Ben Carr fragen Barrett, ob er nicht Sänger ihrer Band werden will. Er will und die Geschichte der Mighty Mighty Bosstones nimmt – wenn zunächst auch schleppend – ihren Lauf. Das erste Line-Up der Band besteht aus Barrett, Gittleman am Bass, Burton am Saxofon, Albert an der Gitarre, Josh Dalsimer am Schlagzeug und Tim Bridewell an der Trompete. Ben Carr wird Tänzer und Backgroundsänger der Band.

Das Sextett nennt sich fortan The Bosstones – als Tribut an ihre Heimatstadt. Später wird noch das Mighty Mighty davor gesetzt werden, damit man nicht mit einer gleichnamigen 60er Jahre Doo-Woo Band verwechselt wird. Doch die Hardcore- und Punk-Einflüsse der einzelnen Bandmitglieder lassen sich nicht so einfach abstellen. Die Bosstones spielen schneller und härter als andere Ska-Gruppen. Mit Two-Tone-Ska hatte das nur noch bedingt etwas zu tun. „Unsere Haupteinflüsse waren damals The Clash, The Specials und die Bad Brains, das waren die Bands, auf die wir uns alle einigen konnten“, sagt Dicky Barrett heute, fast 30 Jahre später. Und diese Einflüsse vermengte die Band zu etwas Neuem – der Ska-Punk war geboren. Geplant war das nicht, sondern fast schon eine zwangsläufige Entwicklung, gibt Barrett zu: „Wir waren Teil der Bostoner Hardcore-Szene und wir liebten Ska. Wir mussten es einfach machen.”

Dem Publikum gefiel der neue Sound, was nicht selbstverständlich war. Es wäre ja auch möglich gewesen, dass die Ska- und Hardcore-Puristen den Bosstones den Rücken zu drehen, weil ihnen die Musik jeweils zu wenig Ska und Punk enthielt. Nicht so bei den Bosstones. „Wir haben deshalb nie Probleme gehabt. Die Leute liebten uns wegen dem, was wir waren und was wir sind: Eine verdammt großartige Band!”, sagt Barrett dazu. Er lehnt es deshalb auch ab, seine Band in irgendeine Schublade zu stecken. “Wir sind die Mighty Mighty Bosstones und ich stolz darauf”, antwortet er auf die Frage, ob er seine Band als Teil der Ska-Szene sieht.

Der Durchbruch

Es vergehen noch einige Jahre, bis das erste Album der Bosstones erscheinen wird. Die Band legt zwischenzeitlich eine Pause ein, damit Albert die Highschool beenden kann und Gittleman steigt vorübergehend bei Gang Green ein. 1989 ist es dann soweit: ‚Devil’s Night Out‘ erscheint und wird innerhalb der Szene ein großer Erfolg. 1991 folgen die ersten großen Touren durch den Nordosten der USA und Kanada. Das zweite Album ‚More Noise and Other Disturbances‘ erscheint ein Jahr darauf.

Die Schuhmarke Converse verwendet davon einen Song für einen Werbespot für die Chuck Taylor Sneakers. The Mighty Mighty Bosstones werden dadurch auch außerhalb der Szene bekannt. Die erste US-Tour folgt und die Band unterzeichnet 1993 einen Vertrag bei dem Majorlabel Mercury.  ‚Don’t Know How to Party‘ wird ihr erstes Major-Album. Die Band tourt fortan unablässig. 300 Konzerte pro Jahr sind keine Seltenheit. Ihr 1997 ‘Let’s Face It‘ erschienenes Album erklimmt den 1. Platz der US-Rock-Charts und erhält Platin. Die Band tourt weiter und veröffentlicht in den folgenden Jahren noch drei Alben.

Der Split

Im Jahr 2003 kommt dann den Bruch. Das jahrelange, pausenlose Touren hat die Bosstones ausgelaugt. Die Band entscheidet sich, eine Pause einzulegen. „Wir haben uns nicht aufgelöst, wir haben uns einfach nur entschieden, keine Shows mehr zu spielen. Und 2007 haben wir uns dazu entschieden, wieder zusammen zu spielen und gemeinsam Musik zu machen“, sagt Barrett dazu.

Obwohl der Spaß bei den Mighty Mighty Bosstones im Vordergrund steht, scheute sich Sänger Barrett nicht, auf Konzerten und in Interviews die Politik des damaligen US-Präsidenten George W. Bushs zu kritisieren. Aber ist es unter dem neuen Präsidenten Barack Obama wirklich so viel besser geworden? „Nicht so viel, wie ich gehofft hatte. Ich muss zugeben, dass ich schon etwas enttäuscht bin von Obama. Aber immerhin ist er smarter als ich es bin und das ist schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung”, antwortet Barrett.

Das Comeback

Zwei Jahre später erscheint – in Europa etwas unbemerkt – das Comeback-Album „Pin Points & Gin Joints“ auf dem eigenen Label Big Rig Music, das die Band schon während ihrer Mercury-Zeit gegründet hatte, um die eigenen Alben als Vinyl veröffentlichen zu können. „Wir hatten in der Vergangenheit einige schlechte Erfahrungen mit anderen Labels gemacht, deshalb brachten wir „Pin Points & Gin Joints“ auf unserem eigenen Label heraus. Und warum auch nicht“, erklärt Barrett. Darin lag auch der Grund, warum es die Scheibe in Europa nur als Import gab, erklärt Barrett. „Wir hatten das Album in den USA auf unserem eigenen Label veröffentlicht, aber wir waren zu dem Zeitpunkt noch zu unerfahren in der Labelarbeit. Wir waren damals nicht in der Lage ein europäisches Release zu stemmen, sorry.”

In der Zwischenzeit leben die Bandmitglieder quer in den USA verstreut. Barrett hat es nach in Los Angeles verschlagen, wo er Ansager einer Late-Night-Show ist, Gittleman ist Professor in Vermont und Burton lebt in Florida. Sich unter diesen Voraussetzungen einmal in der Woche im Proberaum zu treffen und an neuen Liedern zu arbeiten, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Für Barrett stellt das jedoch kein Problem dar. “Mit der heutigen Technik ist das überhaupt nicht schwierig. Mit iPhone und Computer ist es heutzutage ein leichtes Musik- und Textideen in Windeseile untereinander auszutauschen. Im Ernst, Songs zu schreiben, war nie so einfach wie heute. Es fühlt sich an, wie wenn wir im selben Haus leben würden und das Album auf diese Weise geschrieben hätten.”

The Myth of Youth

Das Produkt dieses modernen Songwriting steht seit Dezember in den Plattenläden – dieses Mal auch in Europa, dank des italienischen Labels Rudereckorz, das die Platte für Europa lizensiert hat. Mit den ersten Reaktionen ist die Band sehr zufrieden, sagt Barrett. “Wir sind richtig glücklich darüber. Es scheint, als ob die Leute unser neues Album lieben und darüber bin ich sehr froh. Denn ich liebe “The Myth of Youth” ebenfalls. Wir haben sehr hart daran gearbeitet und ich finde, die Arbeit, die wir reingesteckt haben, hört man.”

Da kann man nicht wiedersprechen. Und es klingt, als sei der Titel Programm, denn von Altersschwäche oder Schunkelska-Nummern keine Spur. Barrett bestätigt diesen Eindruck. “Wir wollten härter klingen als auf unserem letzten Album. Meiner Meinung nach ist uns das auch geglückt. Es sollte ein verdammt gutes Mighty Mighty Bosstones Album werden und ich denke, dass ist uns gelungen.” Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Nur vielleicht die Frage noch, wann The Mighty Mighty Bosstones wieder auf deutschen Bühnen zu sehen sein werden. Barretts Antwort klingt wie ein Versprechen: “Wir hoffen sehr sehr bald.”

Ursprünglich im Dynamite Magazine #76 erschienen

Written by Falk Fatal

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