IN WIESBADEN GIBT’S NEN LADEN

sabot_headerIn Wiesbaden gibt es endlich einen gescheiten Punkrock-Laden: Das Sabot! Höchste Zeit diesen Tempel des guten Geschmacks vorzustellen.

Wer den gestreckten Mittelfinger seit seinen Anfangstagen liest, wird mein Lamento kennen: Wiesbaden ist eine tote Stadt. Boring City Spiessbaden, nichts geht hier, Rien va plus, kein Freispiel mehr drin. So ging das jahrelang. Das war zwar Jammern auf hohem Niveau, denn gute Konzerte und gute Läden gab es auch vorher.

Aber Schlachthof und Kulturpalast sind halt kommerzielle Läden, von denen viele Menschen einen Teil oder komplett leben müssen. Klar, dass da nur selten zwar geile, aber (noch) unbekannte Punkbands spielen können. Und das Café Klatsch ist ein toller Ort zum Bier- oder Cafétrinken, an dem man oft nette Menschen trifft. Aber man will halt nicht jeden Abend in die dieselbe Kneipe gehen. Was Snobcity Wiesbaden eindeutig fehlte, war ein kleiner, feiner Laden, in dem es möglich ist, unkommerzielle Konzerte zu veranstalten und in dem der DIY-Gedanke hochgehalten wird. In Wiesbaden eigentlich ein Unding, denn geeignete Räumlichkeiten sind rar. Und in der Innenstadt haben schon stinknormale Kneipen Ärger wegen Lärmbelästigung mit den Anwohnern. Wie soll es da also möglich sein, gescheite Konzerte zu veranstalten.

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Die Bühne

Doch man höre und staune: Es geht! Seit zwei Jahren gibt es kaum ein Wochenende, an dem nicht ein Konzert stattfindet. Der Grund: das Sabot. Ein schmaler Gewölbekeller. Links eine kleine Bühne, rechts eine Theke. Dazwischen ein langer Schlauch, der fast aus allen Nähten platzt, wenn 50 Leute gebannt auf die Bühne starren. Und auf der stehen oft kleine, unbekannte Bands, die noch kaum einer kennt. Und von denen man sich gerne überraschen lässt. Manchmal positiv, manchmal negativ. Aber immer trifft man nette Leute und hat einen guten Abend, auch wenn die Band ein Totalausfall war. Und wenn man einfach mal so ein Bier trinken will und dabei Punkrock will, geht man donnerstags zur Haifischbar. Endlich wieder ein Ort, an dem viele Szenemenschen zusammenkommen und eine gute Zeit verbringen. Der Laden drei bis fünf Tage die Woche offen, geführt wird er ehrenamtlich. Alle Einnahmen dienen dazu die Kosten zu decken und was übrigbleibt, fließt zurück in den Laden.

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The Lizards

Das hat gefehlt. Mir zumindest. Und ich glaube vielen anderen Szenehasen in
Wiesbaden auch. Und dafür gehört den Mädels und Jungs von der Kulturkneipe Sabot, wie sich offizielle genannt wird, mein Dank und Respekt.

Neben Punkrock, Hardcore, Ska gibt es regelmäßig Rock’n’Roll-Nighter und -Konzerte, Hip-Hop-Abende, an denen sich MCs um den besten Freestylerap batteln, Elektropartys und Politveranstaltungen. Neben bekannteren Bands wie Stage Bottles, Off with their Heads, Front, Dulac oder Prinzessin Halt’s Maul sind neben vielen kleineren Bands aus der Region auch schon zahlreiche Bands aus Europa oder Übersee im Sabot aufgetreten, wie zum Beispiel Flying Over (Frankreich), The Lizards (Spanien), Panic Attack (USA), Pink Flamingos (Frankreich), Red City Radio (USA) oder New Bruises (USA), um nur einige zu nennen. Es geht wieder etwas in Spiessbaden!

Doch wie konnte es passieren, dass plötzlich so etwas in dieser Stadt passieren kann? Und das mitten in der Innenstadt, mitten im Wohngebiet?

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Stage Bottles

Dafür brauchte es motivierte, zugezogenen Menschen, denen das subkulturelle Angebot in der Stadt zu wenig DIY war. Und einen Keller, der seit Jahren leer stand. „Eine lebhafte Szene braucht DIY, aber das gab es in Wiesbaden nicht“, sagt Raidy, der seit etwa 2008 in Wiesbaden und Umgebung lebt und einer der Mitbegründer des Sabots ist. „Eigentlich haben wir nur einen Raum gesucht, in dem wir boxen können. So sind wir an den Keller gekommen. Und dann wuchs daraus relativ schnell der Plan, daraus eine Kneipe und Konzertladen zu machen.“ Ein Trägerverein wurde gegründet und Ende Februar 2011 konnte das Sabot endlich eröffnen. Entscheidungen werden seitdem im Plenum basisdemokratisch getroffen.

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Die Theke

Und bisher läuft es verhältnismäßig reibungslos. Mitten in der Innenstadt gelegen, könnte man erwarten, dass die Anwohner Amok laufen, wenn die Punkerhorden einfallen, um Party zu feiern. Doch bisher halte sich das in Grenzen, betont Raidy, den manche vielleicht auch Schlagzeuger von Chaosfront kennen. „Wir achten darauf, dass es vor dem Laden ruhig bleibt. Wir ermahnen die Besucher, wenn sie vor dem Laden stehen, sich ruhig zu verhalten. Das bekommen natürlich auch die Anwohner mit. Von daher sind bisher kaum Klagen von den Anwohnern gekommen“, so Raidy. Der größte Ärger kam bisher aus anderer Richtung. Von der Gema, mit einer horrenden Nachzahlungsforderung in vierstelliger Höhe. „Es hat lange gedauert, denen klar zu machen, dass bei uns viele Bands spielen, die nicht Mitglied in der Gema oder einer anderen Verwertungsgesellschaft sind“, erläutert Raidy.

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Something Weird

Mittlerweile habe man sich aber mit der Gema einigen können und sei jetzt in einen vergleichsweise günstigen Tarif einsortiert worden.

Existenzielle Bedrohungen seien in der Vergangenheit eher dadurch entstanden, dass sich zu wenig Leute im Laden engagiert hätten. „Es wird halt schwierig solch einen Laden am Laufen zu halten, wenn immer dieselben vier, fünf Leute jeden Abend an der Kasse und hinter der Theke stehen.“ Doch Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Ernste Worte ans Publikum, ein Aufruf an Gäste und Sympathisanten: Jetzt flutscht es wieder. Hinter der Theke sieht man neue Gesichter, das Publikum kauft sein Bier lieber an der Theke als im Netto. Der Eintritt wird ohne Verhandlungen bezahlt. Die Warteschlange der Menschen, die mal ein Konzert im Sabot veranstalten wollen, wird wieder länger. „Momentan läuft der Laden. Die Konzerte sind gut besucht. Die Bands, die hier spielen, sind zufrieden. Ich denke, mittlerweile wird das Sabot gut angenommen“, sagt Raidy. Und hat damit vollkommen recht.

Und doch könnte die Vielfalt Raidys Meinung nach größer sein. „Bisher spielen fast nur Punk-, Hardcore- oder Rockabillybands bei uns. Da könnte ruhig noch mehr aus anderen Musikrichtungen kommen.“ Und künftig soll das „Kultur“ im Namen mehr zum Tragen kommen. Lesungen, Comedy oder auch Liedermacherabende kann sich Raidy gut vorstellen. „Wir sind offen für alles.“ Nur Stoner- und Indierockbands werden im Sabot keine Auftrittsmöglichkeit bekommen. „Die haben genügend andere Orte, an denen sie spielen können“, glaubt Raidy.

Für die Zukunft wünscht sich Raidy, dass das Sabot dabei hilft, den DIY-Gedanken in Wiesbaden mehr zu etablieren. Dass sich eine Szene entwickelt, die nicht nur konsumiert, sondern auch selbst aktiv wird. „Es wäre schön, wenn sich aus unserem Engagement im Laden etwas entwickelt und das in zehn Jahren andere Leute hinter der Theke stehen als heute, dass sich eine neue junge Generation entwickelt, die selbst etwas macht und tätig wird.“ Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Außer vielleicht, dass ihr dem Sabot ruhig einmal einen Besuch abstatten solltet, wenn ihr in der Stadt seid. Und wenn ihr aus Stadt seid, dann sowieso. Wir sehen uns.

Öffnungszeitennn und das aktuelle Veranstaltungsprogramm findet ihr hier

Ursprünglich erschienen in: der gestreckte Mittelfinger #7

Written by Falk Fatal

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