MISS CHAIN & THE BROKEN HEELS: „Wir tragen noch immer dieselben Schuhe“

Bild: Miss Chain & the Broken Heels

Miss Chain & the Broken Heels haben kürzlich mit “The Dawn” ihren zweiten Longplayer veröffentlicht und der hat mich sowas von begeistert, dass ich Sängerin Astrid unbedingt ein paar Fragen dazu stellen musste.

Miss Chain & the Broken Heels. War das nicht diese italienische Powerpopband die vor ein paar Jahren knapp eine Handvoll fantastischer 7″s und eine Klasse LP veröffentlicht hatten? Genau die waren das, die mich damals mit ihrem sonnigen Pop-Punk so begeisterten. Wie mir ging es vielen anderen Musikbegeisterten und so waren Miss Chain & the Broken Heels die vergangenen drei Jahren fast pausenlos auf Tour, unter anderem in den USA und mehrmals durch Europa. Nun haben Miss Chain & the Broken Heels der gierigen Meute neuen Hörstoff geliefert. “The Dawn” heißt das neue Meisterwerk, das so ganz anders klingt als die Vorgänger. Der Sommer ist gegangen und hat Platz für den Herbst gemacht. Und mit ihm für viele neue Einflüsse. Gekonnt verweben Miss Chain & the Broken Heels Americana, 60s Pop und Psychodelic mit ihrem bekannten Powerpop. Das Resultat ist beeindruckend und begeistert auf voller Länge, das mich manchmal an Rachael Gordon erinnert. „The Dawn“ ist ein Album, das die Grenzen des Poppunks mühelos überschreitet ohne die Wurzeln der Band zu leugnen. Was Miss Chain & the Broken Heels über ihre neue Platte und die vergangenen Jahre auf Tour zu erzählen haben, verrät euch Sängerin und Gitarristin Astrid im Interview.

Eure Bandgeschichte ist sehr beeindruckend. Ihr wart auf Tour in den USA bevor ihr überhaupt ein Album veröffentlicht hattet. Und seitdem “On a Bittersweet Ride” vor drei Jahren veröffentlicht worden ist, wart ihr fast permanent auf Tour. Habt ihr mit solch einem Erfolg gerechnet?

Kein bisschen! Das alles kam wie eine große Welle über uns und wir versuchen einfach, auf der Welle zu reiten ohne speziellen Plan, aber dafür mit viel Leidenschaft. Wir alle haben vor Miss Chain & the Broken Heels in verschiedenen Punkrockbands gespielt und sind mit der DIY-Mentalität aufgewachsen. Ich denke, dass hilft uns bei dem was wir tun.

Wie kam es überhaupt zu Miss Chain & the Broken Heels?

Alles begann im Sommer 2007 in der Toskana. Ich hatte eine Handvoll poppiger Songs geschrieben und ich entschied mich, die mit einem Freund von mir, Paolo Dondoli von Ray Daytona and the Googoo Bombos, aufzunehmen. Ohne Hintergedanken, sondern einfach aus Spaß, um eine gute zeit zu haben, Rotwein zu trinken und Schafskäse zu essen. Ich lud dann die Songs bei MySpace hoch Bild: Album Coverund einen Monat später wurde die erste Single bei Sonic Jett Records in den USA und Rijapov in Italien veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt merkte ich, dass ich eine Band haben will, um die Songs live spielen zu können. Kurz darauf begannen Brown, Franz, Silva und ich mit den ersten Proben.

Im Sommer 2008 tourten wir dann das erste Mal durch die USA. Ich konnte nicht glauben, dass das passiert. Doch seitdem fühle ich, dass die Welle, auf der wir reiten, die Richtige ist. Es ist nicht leicht, die richtigen Leute zu finden, deshalb bin ich sehr glücklich, wie alles gekommen ist.

Seit unserer Bandgründung arbeiten wir hart und schnell hat sich eine Rollenverteilung innerhalb der Band herauskristallisiert. Silva und ich schreiben die Songs, Franz kümmert sich ums Booking und die Bandfinanzen und Brown ist für die Aufnahmen und die Soundqualität zuständig. Zusammen sind wir ein großartiges Team und wir geben 100 Prozent an Energie, Zeit und Geld für die Band.

Nachdem eure vorangegangenen Veröffentlichungen so erfolgreich waren, habt ihr da einen besonderen Druck verspürt?

Nach der Veröffentlichung von “On a bittersweet ride” im Jahr 2010 waren wir drei Jahre auf Tour. In dieser Zeit sind viele Lieder des neuen Albums entstanden. Die Songs schrieben sich dank der vielen Abenteuer und Eindrücke, die wir auf unseren Reisen quer durch die Welt erlebten und sammeln konnten, wie von selbst. Andere Songs sprudelten während der Aufnahmen zu “The Dawn” wie aus dem Nichts aus uns heraus und wir entschieden uns, sie mit auf das Album zu nehmen. Wir denken, sie passen perfekt zu den anderen Songs, auch wenn wir nicht viel Zeit hatten sie zu proben.

Wo habt ihr das Album aufgenommen?

Wir haben im T.U.P. Studio in Brescia aufgenommen. Pierluigi Ballarin (The R`s) hat uns produziert. Er unterstützte uns beim Songwriting und streute sozusagen die Kirchen auf den Kuchen, indem er bei manchen Songs noch magische Orgel- und Klavierparts sowie Chöre beisteuerte. Außerdem stand er uns mit Rat und Tat zur Seite.

War das nicht komisch, ein Nicht-Bandmitglied an den Songs mitarbeiten zu lassen?

Das war eine ganz neue Situation für uns, einer Person zu vertrauen und an den Songs mitwirken zu lassen, die nicht zur Band gehört. Aber es half uns, die Unterstützung und Meinung von jemanden zu bekommen, der nicht komplett in unserer Banddynamik steckt. Und wir bekamen so einen unvoreingenommenen Blick von außen auf unsere Lieder. Das war eine ganz neue und sehr interessante Erfahrung für uns. So bekamen wir eine neue Sicht auf die Dinge und unsere Arbeit.

Nach den Aufnahmen merkten wir, das die Songs auf “The Dawn” sehr unterschiedlich sind und sozusagen ein Melting-Pot verschiedener Stile sind, der von Americana, über Soul, Rock’n’Roll und Country reicht und nur schwer in eine Schublade zu stecken ist. Diese Vielfalt war nicht unbedingt geplant. Wir haben uns nicht gesagt: “Jetzt lasst uns mal ein Lied machen, das klingt wie…” Aber natürlich haben wir uns vorher überlegt, wie wir auf dem neuen Album klingen wollen. Wir haben alles analog auf Tape aufgenommen in Live-Sessions, damit das Album möglichst warm und “real” klingt.

Nachdem ihr das Resultat der Aufnahme gehört habt, hattet ihr Angst, dass euer neues Album die alten Fans enttäuschen könnte?

Nein, Angst vor der Reaktion unserer “alten” Power-Pop-Fans hatten wir nicht. Aber wir waren natürlich sehr gespannt, wie ihnen “The Dawn” gefallen wird. Mittlerweile kann ich sagen: Wir haben unser Ziel erreicht. Unsere alten Fans sind uns treu geblieben. Sie lieben das neue Album sogar mehr als das Alte. Die Reviews waren bisher großartig und wir haben viele neue Fans gefunden. Mehr konnten wir nicht erwarten!

Das kann ich gut nachvollziehen. Mir gefällt “The Dawn” richtig gut. Es klingt düsterer und folkiger als sein Vorgänger. Du hattest ja schon gesagt, dass das nicht unbedingt geplant war. Würdest Du also sagen, das war ein natürlicher Wandel?

Definitiv! Wir haben uns neuen Einflüssen geöffnet und haben Straßen betreten, die wir bislang noch nicht entlanggegangen sind. Ich denke, dass ist ein ganz natürlicher Prozess, wenn man kreativ ist. Du willst nicht immer jeden Tag zur selben Stunden die selben Bild: Miss Chain & the Broken Heelsausgelatschten Pfade gehen und immer dieselbe Landschaft sehen. Früher oder später reizt es dich, einen anderen Weg zu gehen oder wenigstens zu einer anderen Zeit, damit du etwas Neues siehst oder Details entdeckst, die du zuvor nie bemerkt hast.

Wir tragen noch immer dieselben Schuhe und verleugnen nicht, woher wir kommen. Aber wir sind keine Band, die an etwas kleben bleiben will, nur weil es sicher oder einfach ist. Es ist wundervoll zu spielen, zu experimentieren, neue Dinge zu lernen und diese dann auszuprobieren.

Dann werdet ihr privat wohl nicht nur Punkrock oder Powerpop hören?

Wir kommen alle aus der Punkrock- und Rock’n’Roll-Szene und sind mit dieser Attitüde aufgewachsen, die noch immer in unseren Herzen schlägt. Wir lieben Musik in all ihren Facetten. Wir sind keine Fanatiker, die sich nur auf ein Genre beschränken, um darin vielleicht ihre Identität zu finden. Es macht keinen Sinn, speziell heutzutage, sich anderen Musikstile zu verschließen und zu einem pathetischen Klischee zu werden, das sich selbst beschränkt. Wir hören neben Punk und Powerpop, auch viel Soul, Oldies, Country, alten Blues, Garage oder Folk und wir sind immer begierig darauf, neue Sachen zu entdecken!

Würdest Du mir zustimmen, dass “The Dawn” ein neues Kapitel in eurer Bandgeschichte darstellt?

Ja, würde ich.. Wir haben ein neues Kapitel in unserer Bandgeschichte aufgeschlagen. Du kannst es aber auch als Zwischenstation für unsere künftige Entwicklung sehen..

Ist “The Dawn” auch für dich persönlich als Musikerin ein neues Kapitel?

Auf jeden Fall, vor allem was die Texte betrifft. Ich habe dieses Mal darin meine persönlichen und täglichen Erfahrungen eingebracht. Manchmal auch nur, wie ich mich fühle oder verrückte Gedanken verarbeitet. Und manchmal habe ich das alles zusammengewürfelt und in eine Geschichte gepackt, in der ich die Protagonistin bin. Manchmal habe ich aber auch den Kopf anderer geentert und singe, was ich durch deren Augen sehe.

Ihr seid fast pausenlos auf Tour. Bekommt ihr da manchmal nicht Heimweh?

Touren ist eine magische, einzigartige Erfahrung, die dich in eine andere Dimension bringt. Du bist sozusagen “gefangen in deinem Traum” und wenn es Zeit wird aufzuwachen und zurück ins normale Leben zu gehen, ist das nicht immer einfach. Wenn du auf Tour bist, verlierst du jedes Gefühl für Zeit und Raum und du gerätst in eine Spirale verrückter Abenteuer. Wenn du auf Tour bist, ist alles neu und aufregend, trotzdem gibt es immer wieder Momente in denen dein Zuhause und deine Familie vermisst. Dann vermisst Du plötzlich deinen gewohnten Tagesablauf, dein gemütliches Bett, gesundes Essen und natürlich deine Privatsphäre. Auf Tour wirst du eins mit der Band. Du hast keinen Raum für dich selbst und es ist ziemlich schwer den zu finden, wenn du jeden Tag mehrere Stunden in einem Van verbringst, abends ein Konzert spielst und anschließend mit deinen Bandkumpanen zusammen in einem Raum für ein paar Stunden schläfst. Natürlich bekommt man da Heimweh. Aber wenn man dann wieder zuhause ist, kannst du es gar nicht erwarten wieder auf Tour zu gehen und neue Abenteuer zu erleben.

Was sind eure Pläne für die Zukunft?

“The Dawn” ist im März veröffentlicht worden und seitdem sind wir auf Tour. Wir sind gerade zurück von einer längeren und tollen Skandinavien-Tour. Demnächst werden wir einige Festivals in Italien spielen und im September geht es wieder über den großen Teich, wo wir unsere dritte US-Tour spielen werden. Wir werden einen Monat gemeinsam mit Kepi von den Groovie Ghoulies durch die Staaten touren. Das wird eine große Erfahrung für uns! Wir werden jeden Abend doppelt spielen, einmal als Miss Chain & The Broken Wheels und dann als Kepis Backingband. Im November werden wir wieder durch Europa touren gemeinsam mit dem “King of Powerpop”, Paul Collins. Unser Plan ist also ganz einfach: Wir wollen so viel und so oft spielen wie möglich. Touren ist ein großer Spaß und wir lieben es, Spaß zu haben!

Da habt ihr euch einiges vorgenommen. Ich wünsche euch auf jeden Fall viel Erfolg und vielen Dank für das Interview!

„The Dawn“ ist bei Bachelor Records, Rijapov Records, Tre Accordi Records und Burger Records erschienen.

Written by Falk Fatal

Schreibe einen Kommentar