Chuck Ragan ist mit einem neuen Studioalbum zurück. Seinem ersten mit kompletter Band. Das steht ihm gut, wird aber manchen Freund der wilden Sachen aus seinen Anfangstagen als Solokünstler sicher verschrecken.
Ich weiß nicht genau, wann der Country begann, im Punkrock und Hardcore Fuß zu fassen. Aber Chuck Ragan hatte großen Anteil daran. Dass begann schon mit Rumbleseat, seinem Folk-Nebenprojekt, das er gemeinsam mit dem anderen Hot Water Music-Sänger Chris Wollard hatte. Vieles, was man damals Anfang des neuen Jahrtausends hören konnte, nahm vorweg, was Chuck Ragan einige Jahre später Solo nach dem Split von HWM machen sollte. Rauher, ungestümer Folkpunk präsentierte er da seiner Fangemeinde, die zu anfangs fast ausschließlich aus Hot Water Music-Fans bestand. Doch Ragan emanzipierte sich schnell davon. Während seine übrigen Bandkollegen mit ihren folgenden Bands nie so wirklich an den Erfolg von Hot Water Music heranreichen konnten (und weshalb es Hot Water Music jetzt wahrscheinlich wieder gibt), erspielte sich Ragan schnell eine eigene, immer größer werdende Fangemeinde.
Ich weiß nicht, ob es an ihm direkt lag, aber Ragan folgten doch zahlreiche andere Sänger und Gitarristen von Punk- und Hardcorebands, die plötzlich ihr Bandshirt gegen ein Flanellhemd tauschten und anfingen selbst Akustikfolk zu spielen. Und spätestens mit der Revival Tour, auf der von anderen Punkrocksängern unterstützt wird, untermauerte er seinen Ruf, als Vater dieser neuen Akustik-Folk-Country-Punkszene.
Und nun hat Chuck Ragan ein neues Album veröffentlicht. “Till Midnight” heißt es und es ist praktisch ein Brückenschlag zurück zu seiner Bandvergangenheit, denn es ist sein erstes Solo-Studioalbum, das er mit einer kompletten Band aufgenommen hat und nicht nur mit Jon Gaunt an der Geige und Joe Ginsberg am Bass. Neben den beiden gehören dieses Mal noch Gitarrist Todd Beene (Lucero), Drummer David Hidalgo Jr. (Social Distortion), Gastsänger Dave Hause, Jon Snodgrass und Chad Price (Drag the River), Ben Nichols (Lucero) und Jenny O. sowie Keyboarder Rami Jaffee (The Wallflowers) zur Band. Ein bisschen konnte man das schon nach seinem Livealbum erahnen, das Anfang des Jahres erschien und ihn ebenfalls mit Band zeigt.
Der neue Bandsound lässt das Album wesentlich ruhiger, weniger ungestüm und wild klingen – mehr Americana als Punk. Klangen die Vorgängeralben teils wie eine reduzierte Unplugged-Version von Hot Water Music, erinnert hier nur noch die einzigartige Stimme von Chuck Ragan an den Punkbackground. Rein musikalisch betrachtet, könnte “Till Midnight” auch von Neil Young oder ein Americana-Ausflug von Bruce Springsteen sein. Das ist schon klasse gemacht und diese ruhigere Seite von Chuck Ragan gefällt mir gut. Hervorheben möchte ich die Videoauskopplung “Something may catch fire” und “You and I alone”, die meine derzeitigen Favoriten auf “Till Midnight” sind. Ich könnte mir aber vorstellen, dass “Till Midnight” einigen älteren Fans nicht so gut gefallen wird. Aber ich denke, Chuck Ragan wird das verschmerzen können. Denn auch wenn nicht allen diese Bandplatte gefallen wird, ein tolles Americana-Album ist “Till Midnight” auf jeden Fall. Live gefällt er mir trotzdem immer noch am besten. Ich freue mich schon auf das Konzert im Schlachthof!
„Till Midnight“ ist bei Side One Dummy Records erschienen
Wir verlosen für das Chuck Ragan Konzert am 19. Juni im Schlachthof Wiesbaden 1×2 Eintrittskarten. Einfach eine E-Mail an trashrock@gmx.de mit dem Betreff “Chuck Ragan” und mit etwas Glück könnt ihr euch das Eintrittsgeld sparen.
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[…] größer werdenden Fangemeinde. Kein Wunder, sind seine beiden letzten Veröffentlichungen, “Till Midnight” und “Live at Skater’s Palace” großartige Scheiben geworden. Am Donnerstag, 19. […]
[…] Mich erinnert “Ford” ein bisschen an die alten Alben von Wilco oder das jüngste Werk von Chuck Ragan, das ebenfalls wie Toms neues Album komplett mit Band eingespielt wurde. Melodisch und kraftvoll, […]