THE MEMBRANES – Dark Matter/Dark Energy 2xLP/CD

the membranes

Die britische Postpunk-Legende The Membranes veröffentlichen mit “Dark Matter/Dark Energy” nach 26 Jahren ein neues Album. Das ist großartig geworden.

26 Jahre Abstand zwischen zwei Alben sind eine lange Zeit. Und meist ist das jüngere Album eher schlecht. Bei den britischen Postpunkheroen rund um John Robb, den viele sicher als Autor des sehr zu empfehlenden Buches “Punk Rock” kennen, verhält es sich glücklicherweise anders.

The Membranes gründeten sich 1977, doch es dauerte bis 1979 die ersten Lieder veröffentlicht wurden. Die erste Single erschien sogar erst 1980 – drei Jahre nach Gründung und zu einem Zeitpunkt als die erste Punkwelle in Großbritannien schon am Abflauen war und von Postpunk abgelöst wurde. Zu dieser passte der Sound der Membranes auch viel besser, denn wo die Bands der ersten Stunden oft nur einen schnelleren und härteren Pubrock oder Rock’n’Roll spielten, waren The Membranes schon damals sehr noisig und arbeiteten viel mit Feedback und übersteuerten Instrumenten. Diesen Stil verfeinerten sie in den kommenden Jahren auf ihren zahlreichen Veröffentlichungen und Tourneen. Nerdfact am Rande: Kiss Ass… Godhead!”, das 1988 veröffentlicht wurde, war eine der ersten Platten, bei der Produzentenlegende Steve Albini Hand anlegte.

1990 war dann fürs Erste Schluss. Die Band legte eine Pause ein. Die dauerte bis 2009. Dann spielten sie auf dem All Tomorrows Parties Music Festival zu dem My Bloody Valentine sie eingeladen hatten. Danach traten sie öfters wieder auf und veröffentlichten 2012 sogar eine Single mit neuem Material. Die deutete schon an, dass es sich bei The Membranes nicht um eine der zahlreichen Reunionbands handelt, die den Sprung in die heutige Zeit nicht geschafft haben, die Platten veröffentlichen, die eigentlich kein Mensch braucht, und deren neuer Output auch ohne den klangvollen Namen bestehen könnte. Und jetzt, drei Jahre später, bestätigt “Dark Matter/Dark Energy”, das neue Album der Membranes, diesen Eindruck. Ich bin mir sicher “Dark Matter/Dark Energy” würde auch ohne den klangvollen Bandnamen bestehen, denn es ist schlicht und einfach ein gutes Album, das keinen Vergangenheitsbonus braucht.

Das Doppelalbum beginnt mit einem bedrohlichen Gitarrenriff, das sich langsam in den “The Universe Explodes Into A Billion Photons Of Pure White Light” Opener steigert und dort wahrlich explodiert und fast etwas vom Spacerock der 70er hat. Mit dieser Steilvorlage geht es gleich weiter mit dem ersten Highlight des Albums: “Do the Supernova”, einem ungemein aggressiven, noisigen und doch sehr rhythmischen Song, bei dem Robb die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten seiner Stimme demonstriert. Mal flüsternd, mal schreiend, mal irgendwelche Laute von sich gebend. Mit “21st Century Man” folgt ein kurzer, angepisster “Fuck you”-Song bevor das epische, hypnotisch-pumpende “Money is Dust” folgt. Robb’s Gesang ist hier wieder mehr flüstern und sprechen als singen, was dem Song aber seine einzigartige Atmosphäre verleiht. Besonders erwähnenswert ist auch “Magic Eye”, das mit Sitarklängen für Abwechslung sorgt.

Membranes-cover-sleeve-2Überhaupt Abwechslung. John Robb und seinen Mitstreitern ist es hier gelungen die verschiedensten Stile und Elemente von Krautrock über Freejazz, afrikanischer Trommelmusik, Spacerock und Metal zu einem äußerst vielfältigen und nie langweiligen Album zu kombinieren – dessen Postpunk-Kern mit seinem dominanten Bass, der noisigen Gitarre und dem unverwechselbaren Gesang immer dafür sorgt, dass die Band nicht aus der Umlaufbahn geschleudert wird und sich in selbstgefälligem Jammen verliert.

Sehr untypisch für ein Punk- oder Postpunkalbum sind auch die Texte. Denen lag ein ausführliches Gespräch zwischen Robb und Joe Incandela, dem Leiter des CERN-Projekts (dem weltgrößten Forschungszentrum für Teilchenphysik), über das Weltall und der Idee von der Geburt und des Todes unseres Universums zugrunde. Daraus ergab sich das Konzept für “Dark Matter/Dark Energy”, bei dem jedes Lied einen besonderen Bereich des Weltraums thematisiert. So handelt etwa der Opener “The Universe Explodes Into A Billion Photons Of Pure White Light” von der Urknalltheorie, der Geburtsstunde des Universums. Wer will, kann hier sogar noch etwas lernen.

Doch auch wer nur einfach die Musik hören, will bekommt hier ein großartiges Album. “Dark Matter/Dark Energy” zeigt The Membranes in Höchstform und es sollte all den alten Bands, die nur versuchen einen alten Sound und Spirit zu konservieren, Ansporn sein, die Vergangenheit ruhen zu lassen und wieder etwas Eigenes zu machen. Dass dies nichts mit dem Alter zu tun hat, sondern nur mit der eigenen Kreativität, zeigen The Membranes auf “Dark Matter/Dark Energy” eindrucksvoll.

“Dark Matter / Dark Energy” ist bei Cherry Red Records erschienen

Written by Falk Fatal

3 Comments

Schreibe einen Kommentar