Brausepöter gründeten sich 1978 und waren damit eine der ersten Punkbands Deutschlands. Kürzlich erschien mit „Selbstauslöser“ ihr erstes richtiges Album. Wie es dazu kam, erzählen sie im Interview.
Brausepöter waren eine der ersten Punkbands in Deutschland. Doch obwohl sich die Gruppe schon 1978 gründete, taucht sie in der Punkgeschichtsschreibung kaum oder gar nicht auf. An der Musik kann es nicht liegen, denn die war klasse und führte sogar zu einer Veröffentlichung bei Alfred Hilsbergs Zick Zack Label. Es liegt vermutlich eher daran, dass Brausepöter nicht aus Düsseldorf, Hamburg oder Berlin kamen und kommen, sondern aus Rietberg, einer Kleinstadt bei Gütersloh. In Kleinstädten schauen Punkrock-Historiker anscheinend nicht so gerne nach. 1982 löste sich die Band auf. Fast 30 Jahre später kam es dann zur Reunion. Seitdem spielt die Band wieder in Originalbesetzung Konzerte – Ende Februar übrigens in Wiesbaden. Näheres Infos folgen. Kürzlich erschien sogar mit „Selbstauslöser“ ein neues, das erste „richige“ Album. Gründe gibt es also einige, den sympathischen Herren ein paar Fragen zur bewegten Bandgeschichte, zum neuen Album und was sie von der aktuellen Punkszene halten zu stellen.
Zunächst einmal, wer oder was ist Brausepöter?
Brausepöter ist ein westfälisches Wort und bedeutet so etwas wie Schwachkopf. Übrigens ist es auch ein Begriff aus der Schwulenszene, was wir damals aber gar nicht wussten. Es war uns wichtig, einen Begriff aus unserer Gegend zu nehmen und nicht etwas Englisches. Aus England und den USA kam früher die gesamte Musik – sie hatte nichts mit uns und unserer Welt zu tun. Es war an der Zeit, endlich was Eigenes zu machen. Anfangs hießen wir übrigens NWE – Nordwestdeutsches Eiterlager. Der Name gefällt uns immer noch.
Ihr kommt aus Rietberg bei Gütersloh und habt euch dort 1978 gegründet. Ihr ward damit eine der ersten deutschen Punkbands. Rietberg ist jetzt nicht gerade als Punkhochburg oder kultureller Nukleus bekannt. Wie kamt ihr mit Punk überhaupt in Berührung?
Ein Berührungspunkt war auf jeden Fall die „Sounds“ und deren Rubrik „Neuestes Deutschland“, in der immer die allerneuesten Bands vorgestellt wurden, u.a. auch wir. Dann gab es bei uns natürlich noch die Herforder Scala, damals einer der ersten New-Wave-Schuppen Deutschlands. Und wir fuhren nach London, schliefen dort nächtelang in unserem kleinen R5. Dort haben wir uns alles reingetan, waren in Punk-Clubs, auf Konzerten und anschließenden Zusammenstößen mit der Polizei.
War euch bewusst, dass ihr eine der ersten deutschen Punkbands wart? Die Verbreitung von Informationen hat damals ja deutlich länger gedauert als heute.
Ja, das war uns durchaus bewusst. Bei uns in der Gegend gab’s niemanden, der sowas gemacht hat wie wir. In der Scala waren wir die zweite Band, die dort aufgetreten ist. Die erste war Zeltinger. Danach sind sie alle gekommen, die irgendwas mit Punk und New Wave zu tun hatten.
Was für eine Atmosphäre herrschte damals? Was war euer Antrieb eine Band zu gründen?
Es lag eine schwer zu beschreibende Aufbruchstimmung in der Luft. Wir wollten alles anders machen: anders aussehen, andere Rhythmen spielen, die Musik anders arrangieren – und in unserer eigenen Sprache singen. Das galt zu dieser Zeit als extrem uncool. Wir waren stark auf Abgrenzung aus, wollten vor allem nicht so sein wie unsere Altersgenossen. Diese lahmarschigen und altklugen Spät-Hippies (wir nannten sie Progos) konnten wir nicht ausstehen.
1980 habt ihr eure erste Single “Bundeswehr” aufgenommen und bei ZickZack veröffentlicht. Wie wurde Alfred Hilsberg auf euch aufmerksam?
Er hat uns bei einem unserer Auftritte in der Scala gesehen und uns daraufhin engagiert. Übrigens: Nicht das viel bekanntere „Bundeswehr“, sondern „Liebe, Glück, Zufriedenheit“ ist unsere erste Single. Wir hassen sie, weil der Studiomann, der noch nie mit Punkrock in Berührung gekommen war, uns einen Weichspüler-Sound erster Güte zusammengemischt hat. Dieser entspricht überhaupt nicht dem, wie wir damals geklungen haben. Trotzdem: Viele Leute lieben diese Single.
Punk in Deutschland, zumindest seine Anfänge, sind mittlerweile gut dokumentiert, wenn teils auch lückenhaft. Euren Namen liest man in diesem Zusammenhang allerdings relativ selten bzw deutlich seltener als von anderen Bands, obwohl ihr früher am Werk gewesen seid als so manch andere Band. Stört euch das?
Ja, das stört uns. Wir kommen halt nicht aus Hamburg oder Berlin. Wir hatten nie eine Lobby. „Keiner kann uns ab“, unser altes Motto und einer unserer ersten Songs, gilt auch heute noch.
In den USA dagegen kommt ihr aber recht gut an, oder?
Ja, auf jeden Fall. „Bundeswehr“ und „Keiner kann uns ab“ wurden 2011 in den USA veröffentlicht. Wir laufen dort öfters mal im Radio, vor allem der New Yorker Sender WFMU spielt uns immer wieder. Bei Maximum Rocknroll aus San Franscisco standen wir mehrfach in den Kritiker-Charts.
Ihr habt euch 1982 aufgelöst. Was war der Grund damals?
Die Kommerzialisierung und der damit verbundene Ausverkauf der NDW. Wir waren ja von Anfang an dabei und haben voll mitgekriegt, wie aus innovativer Untergrundmusik lächerliche Kasperei geworden ist. Zudem hatten wir Studiokosten vorgestreckt, die Hilsberg uns nie ersetzt hat. Das alles war zu viel für uns junge Burschen und hat uns letztlich in die Auflösung getrieben.
Seit 2010 spielt ihr wieder. Warum nach mehr als 20 Jahren Pause eine Reunion?
In Rietberg, da wo wir herkommen, wurde ein neues Rundtheater für 800 Zuschauer gebaut. Wir wurden gefragt, ob wir zur Eröffnung spielen wollen. Das hat uns sehr verwundert. Früher haben sie keinen Pfifferling für uns gegeben.
Was habt ihr in den Jahren dazwischen gemacht?
Kemper hat die Trommelstöcker an den Nagel gehängt und ist Tischler geworden. Bernd und Martin haben immer mal wieder zusammen Musik gemacht. Speziell Martin hat das Musikmachen nie aufgegeben, er hat immer in irgendwelchen Bands gespielt. Aber seine wahre Liebe war immer seine erste Band Brausepöter.
Jetzt habt ihr kürzlich mit “Selbstauslöser” ein neues Album mit neuen Liedern veröffentlicht. Warum habt ihr solange mit der Veröffentlichung gewartet?
Eigentlich wollten wir unser erstes Album 1980 auf Alfred Hilsberg’s Label ZickZack veröffentlichen. Die Kassette mit den Songs ist leider nie bei ihm angekommen. Bei den chaotischen Zuständen damals ist die Sache dann irgendwie im Sande verlaufen. Diese Ur-Punk-Songs sind erst 2012 auf unserem Retrospektive-Album „Komplett“ erschienen. Nach unser Reunion haben wir zuerst nur die alten Songs gespielt. Schnell kamen neue dazu. Da für „Selbstauslöser“ viele dieser Songs live mitgeschnitten wurden, hat es einige Zeit gedauert, bis wir die Aufnahmen zusammen hatten.
Wer auf “Selbstauslöser” erwartet, dass ihr an den Sound eurer Anfangstage anknüpft, wird wahrscheinlich enttäuscht sein. Ihr klingt schon deutlich rockiger als früher. Wolltet ihr bewusst mit eurem alten Sound brechen?
Nein, nicht bewusst. Wir mögen unsere alten Songs. Sie haben eine besondere Magie. Aber es wäre traurig, wenn wir noch so klingen würden wie 19-Jährige. Das ist einfach nicht glaubwürdig.
Ihr habt die meisten Songs auf “Selbstauslöser” bei Konzerten mitgeschnitten und seid dafür nicht klassisch ins Studio gegangen. Warum habt ihr euch für diesen Weg entschieden?
Weil wir live eine besondere Energie entwickeln, die wollten wir auch so festhalten. Auch die Songs, die wir im Studio aufgenommen haben, sind live eingespielt. Das Studio ist übrigens die Werkstatt von Kemper, in der auch unser ganzes Equipment aufgebaut ist. Wir spielen dort alle zusammen und nicht, wie heute üblich, hintereinander, um Fehler nachträglich ausbessern zu können. Oder noch schlimmer: um Schlagzeugspuren vom Computer gerade ziehen zu lassen. Heute alles normal. Hör dir eine aktuelle Plastic-Bomb-CD an, und du weißt, was wir meinen. Leider haben sich viele Leute an diesen manipulierten Sound gewöhnt. Wir wollen solche Tricks nicht und auch niemanden, der sie uns aufschwatzt. Daher ist ganze Produktion ist DIY.
Was für ein Problem habt ihr mit Edith?
Du meinst, wegen unserem Song „Geh mir weg mit Edith“? Wir kennen Edith gar nicht. Wir wollten „I wanna be sedated“ covern. Sedated und Edith klingt lautmalerisch ähnlich. Also haben wir einen Text um Edith gestrickt. Das ist alles.
Ich habe bei YouTube ein Video gesehen, das Martin im Senegal zeigt, wie er “Einmal um die Welt” spielt. Wie kam es dazu bzw. was ist der Hintergrund zu dem Video?
Martin war letztes Jahr mit einem Entwicklungshilfe-Projekt im Senegal unterwegs. Dabei trat er im Deutschclub in Thies auf. Thies ist die drittgrößte Stadt Senegals. Im Deutschclub wird ähnlich wie im Goethe-Institut interkultureller Austausch betrieben, schwerpunktmäßig mit Schülern und Studenten. Der Song „Einmal um die Welt“ ist vom neuen Album „Selbstauslöser“ und, neben dem alten Song „Bundeswehr“, der größte Hit auf allen Brausepöter-Konzerten. Die Begeisterung der jungen Senegalesen ist aber mit nichts zu vergleichen, dieser Auftritt war einzigartig. „Geh mir weg mit Edith“ war übrigens auch bei dem Auftritt dabei.
Auf jeden Fall eine tolle Aktion. Ihr habt die Publikumsreaktionen eben schon angesprochen. Was für ein Publikum kommt zu euren Konzerte? Bunt gemischt aus jung und alt oder hauptsächlich Leute, die euch schon Ende der 70er, Anfang der 80er erlebt haben?
Alte Fans, klar, wenn sie den Arsch hochkriegen. Ansonsten sehr viele junge Zuhörer, viele Anfang 20. Sie können oft jedes einzelne Wort mitsingen.
Habt ihr sonst noch Kontakt mit der Punkszene und verfolgt, was so passiert oder hört ihr aktuelle Bands etc.?
Ja, wir hören noch aktuelle Bands, und finden viele davon langweilig. Aber das war immer schon so. Andersrum: Die jungen Bands, mit denen wir Konzerte spielen, finden wir alles andere als langweilig, sonst würden wir es nicht tun. Isolation Berlin und Dispo sind zwei von ihnen. Auch mit älteren Semestern geben wir Konzerte, z.B. mit Jens Rachut. Den fanden wir einfach nur arrogant.
Da ihr die Anfänge von Punk in Deutschland hautnah miterlebt habt und mittlerweile wieder aktiv seid, kann ich mir die Frage nicht verkneifen: war früher wirklich alles besser?
Ja, früher war alles besser. Punk war neu und nicht schon 1.000 Mal durchgenudelt. Es wurde viel experimentiert, jede Woche erschienen Sachen, die wir in dieser Form noch nie gehört hatten. Beispielsweise Devo: unglaublich mutig und schräg, sie warfen alles über den Haufen.
Das neue Album ist ja gerade draußen. Was sind eure Pläne für die nähere Zukunft?
Das nächste Album aufnehmen. Es ist schon in Arbeit. An Material mangelt es nicht. Martin ist eine Songmaschine. Er wirft in unglaublich kurzen Abständen immer neue Songs aus. Mittlerweile sind es so viele, dass wir große Probleme haben werden, uns auf 12 zu beschränken.
Ok, vielen Dank für das Interview. Habt ihr noch irgendwelche abschließenden Worte, die ihr loswerden wollt?
Ja. Punk – das Korsett ist uns zu eng. Schon bei unserer Gründung haben wir gegen damals gültige Beschränkungen und Denkverbote opponiert. Wenn alle sich einig sind, ist uns das suspekt. Wir wollen Musik machen ohne Schere im Kopf, wollen keine Erwartungen des Punk-Publikums erfüllen. Wir lieben Melodien und gute Arrangements. Und klare Aussagen. Daher singen wir seit jeher in unserer eigenen Sprache. Heute sind alle Songs in den Top Ten deutschsprachig, früher waren alle englisch, niemand verstand irgendwas, alle waren reine Nachäffer! Schrecklich.
1 Comment
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.
[…] interviewed an old German punk band, Brausepöter some time ago, the band said that Punk was in their beginning better, because everything was new […]