OPTION WEG – Tanz das Weg LP/CD // KIRA KANOA – Impressionen 10”

Option Weg und Kira Kanoa zeigen mit ihren neuen Platten, wie gut und vielfältig Deutschpunk sein.

Dem Deutschpunk hängt ja immer noch der Ruf an, Gerumpel zu sein, das von schlechten Musikern gespielt wird, die entweder vom “scheiß Staat” oder vom “saufen” singen. So Bands gibt es natürlich und wird es auch immer geben – genauso wie es immer Oi-Bands geben wird, die zu holpriger Musik nur von ihren DocMartens und der Working singen, Bodybuilder-Spacken, die denken sie seien Hardcore, nur weil sie Straight Edge leben oder irgendwelche Mittelklasse-Kiddies die auf langweiligen Melodycore stehen. Die Klischees werden nicht austerben und doch tun sie den genannten Genres unrecht, weil es natürlich viele, viele gute Bands gibt, die den jeweiligen Stereotypen überhaupt nicht entsprechen.

Nehmen wir die neuen Platten von Option Weg und Kira Kanoa. Beide sind kürzlich erschienen, sind stilistisch dem Deutschpunk zuzuordnen, entsprechen beide sogar nicht den Klischees und sind dabei noch höchst unterschiedlich.

Beginnen wir mit Option Weg, der gar nicht mehr so neuen Band von Yok, den viele sicher durch sein Solo-Projekt Quetschenpaua oder seiner alten Band Tod und Mordschlag kennen. Besonders Tod und Mordschlag fand ich früher richtig gut und feierte damals ihr Album “Ratte sich wer kann” ziemlich ab. Was mir damals als junger Punk so gefiel an Tod und Mordschlag, war deren Gestus. Die Band war extrem politisch, die Texte waren sehr deutlich und trotzdem ging ihnen dieses Verkniffene, diese “Wie-kannst-Du-nur-Lachen-wenn-irgendwo-auf-der-Welt-Kinder-sterben”-Mentalität völlig ab. Leitgedanke der Band schien der Emma Goldmann zugeschriebene Ausspruch zu sein: “Wenn ich nicht Tanzen kann, ist es nicht meine Revolution”. Diesen Anspruch findet sich auch bei Option Weg wieder, die musikalisch zwar deutlich mehr Punk als Tod und Mordschlag sind, sich aber dennoch diese Mentalität bewahrt haben. Das wird schon am Titel des neuen Albums deutlich, das “Tanz das weg” heißt und der direkt im Opener “Verboten” wieder aufgegriffen wird. In dem Song geht es um die Aufstände in der Türkei rund um den Gezi Park, die letztendlich vom türkischen Staat niedergeknüppelt wurden und dennoch so etwas wie einen Hoffnungsschimmer darstellten, dass das Regime von Erdogan und der AKP bald zugrunde geht. Mit Blick auf die jüngst erfolgte Wahl, die wieder mit der absoluten Mehrheit von Erdogans AKP endete, muss man leider sagen: die Hoffnung ist fürs Erste erloschen.

Neben explizit politischen Liedern gibt es auch einige eher persönliche Songs, die aber immer einen politischen Bezug haben oder diesen erlauben. Auch das Private ist politisch, you know! Wer Yoks musikalisches Schaffen kennt, weiß, dass sein instrumentaler Horizont über Gitarre, Bass und Schlagzeug hinaus geht und in all seinen früheren Projekten und Bands, das Akkordeon immer mit am Start war. So ist das auch bei Option Weg: die Quetsche darf nicht fehlen. Auch kommt ab und an mal eine Geige zum Einsatz. Das zusammen sorgt dafür, dass Option Weg sich deutlich vom Einheitsbrei abheben. Allerdings werde ich trotzdem nicht so richtig warm mit “Tanz das Weg”. Mir ist das Songwriting etwas zu vorhersehbar und langweilig. Nichtsdestotrotz ein ordentliches Album, das hoffentlich die Beachtung findet, die es verdient.

Musikalisch deutlich rabiater gehen Kira Kanoa auf ihrer Debüt-10” “Impressionen” zu Werke. Hier gibt es druckvollen, wütenden und manchmal leicht düsteren, aber dabei immer melodischen HC-Punk auf die Ohren. Die Songs besitzen einen hohen Wiedererkennungswert und durch das eingängige Songwriting, prägen sich die Songs schnell ein. Textlich geht es gegen Staat, Nazis und Konsumgesellschaft – thematisch also nichts neues, aber dafür gut verpackt. Unter den acht Songs ist kein Ausfall zuverzeichnen. Meine Favoriten sind “Farben” und “Eine brennende Stadt – eine wachsende Blume”. Mein einziger Kritikpunkt bezieht sich auf das Inlay. Lila Schrift auf schwarzen Karton ist wirklich nicht gut zu lesen und für Menschen mit Sehschwäche wahrscheinlich unentzifferbar. Ansonsten: ein erstklassiges Debüt!

Insgesamt also zwei gute Scheiben, die zeigen, wie gut und unterschiedlich Deutschpunk sein kann.

“Tanz das weg” ist bei Elfenart erschienen

“Impressionen” ist bei Riot Bike Records erschienen

Written by Falk Fatal

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