Off Label Records Special

Vier neue Alben sind in den vergangenen Monaten bei Off Label Records erschienen – eines besser als das Andere, meint Falk Fatal. 

Off the Label Records ist ja eines meiner Lieblingslabel. Von all den Veröffentlichungen, die ich in den vergangenen zwei, drei Jahren zum Besprechen geschickt bekommen habe, war keine schlechte dabei. Eins, zwei waren durchschnittlich, aber der Rest? Einfach gut. Was mir besonders gefällt, obwohl die Ausrichtung relativ klar ist – Rockybilly, Country, Rock’n’Roll und Trash – klingt keine Platte wie die andere. Hier entscheidet der Chef was veröffentlicht wird und nicht mögliche Verkaufszahlen. Und das hört man – was auch für die jüngsten vier Veröffentlichungen gilt, die vergangenen Herbst und Winter erschienen sind. Jede für sich klingt einzigartig und gefällt mir. Doch lest selbst.

OH LAZARUS good times CD

Benannt nach einer biblischen Figur spielt dieses italienische Trio eine bezaubernde Mischung aus Country, Western-Swing, Folk und Jazz. Die zehn Songs auf “Good Times”, dem Erstlingswerk von Oh Lazarus, kombinieren die Dunkelheit von Mörderballaden mit italienischer Lebensfreude und zeigen auf diesem Weg so ganz nebenbei, wie nah Freud und Leid beieinaderliegen. Die Band selbst nennt ihren Sound “Gothic Americana” und das trifft es eigentlich ganz gut.

Es geht los mit “Darlin’ Corey”, das noch am ehesten nach einem klassischen Countrysong klingt. Darauf folgen “Good Times”, einem gutgelaunten Western-Swing, und “Ball and Chains”, einem Folk-Gospel, der die dunkle Seite von Oh Lazarus andeutet. “Crow Jane” geht wieder in die Western-Swing-Richtung und erinnert dabei an The Moonlighters. Zum ersten mal richtig düster wird es mit “Fangs”, einer traurigen Ballade, die sich gegen Ende aber in einen Country-Dub verwandelt. “Single Girl again” und “Come on up the House” sind vergleichsweise fröhliche Western-Swing-Nummern. Das folgende “Down” wird seinem Namen gerecht. Und dann sind wir auch schon fast am Ende dieses tollen Albums, das nochmals vortrefflich die beiden Pole zeigt, zwischen denen sich Oh Lazarus bewegen. Einerseits das fröhliche und beschwingte “Sister Kate” und andererseits als würdiger Abschluss, der düster-getragene “St. James Infirmary Blues”.

“Good Times” ist ein abwechslungsreiches Album, das nicht nur von der tollen Stimme Cecilia Merlis lebt, die perfekt zu Musik dieser Art passt, sondern auch vom Bestreben der beiden Mitmusiker Daniele la Barbera und Simone Merli auf 08/15-Arrangements zu verzichten. Und das gelingt Oh Lazarus sehr häufig auf “Good Times”. Ein wirklich schönes Album, das nur einen einzigen, wirklich kleinen, Wehmutstropfen bereithält: Es liegen leider keine Texte bei. Die hätten mich bei all der Düsternis aber gerade interessiert.

DEAD CAT STIMPY – uneasy grounds LP/CD

Deutlich derber und flotter geht Dead Cat Stimpy zu Werke. Die niederländische One-Man-Band veröffentlicht mit “Uneasy Grounds” ihr Debüt-Album. Das enthält elf rudimentäre, bisweilen brutale Blues-Trash-Songs. Brutal deshalb, weil nicht nur die Bassdrum stoisch geprügelt wird, sondern auch der Gesang derbe verzerrt und übersteuert ist und mehr nach Psychobilly statt Blues klingt. Aber der Blues kommt hier sowieso mit einer großen Portion Wahnsinn daher. “Possessed by Robert Johnson” heißt ein Song und das trifft es sehr gut. Simple Bluesriffs bilden die Grundlage der Songs, doch durch den derben Gesang und die stoischen Drums erinnert Dead Cat Stimpy eher an eine mit Nägeln gefüllte Konservendose, die von schweren Lederstiefeln über den Asphalt gekickt wird, während im Hintergrund unablässig ein Hammer auf einen Amboss fällt, als an Muddy Waters. Das ist also ein spezieller Sound, der wahrscheinlich nicht zu Top of the Pops führen wird. Aber ich bin mir sicher, das war auch nie das Ziel von Dead Cat Stimpy. Menschen aber, die gerne den Beat-Man hören, die die Puta Madre Brothers mögen, ihr Herz an John Schooley verloren haben, vielleicht manchmal eine Captain Beefheart-Platte auflegen und die neuen Sachen von Tom Waits mögen, sollten Dead Cat Stimpy ruhig eine Chance geben. Es könnte sich für sie lohnen.

ANY DIRTY PARTY – you hate me, I kiss you 12”/CD

Any Dirty Party sind ein Duo aus Italien, das sich 2013 gegründet hat. Renato und Alessio lernten sich auf einer Party kennen, wo sie sich laut Promoschreiben dieselbe Frau teilten. Was sonst bei vielen Männern für Zündstoff sorgen würde, hat bei den beiden Italienern zu Any Dirty Party geführt. Eine feine Zwei-Mann-Kombo, die gut abgehangenen Rock’n’Roll spielt, der aufgrund der reduzierten Besetzung schön roh und ungeschliffen klingt. Im Gegensatz zu vielen Bands ähnlicher Couleur spielen die beiden Partyhengste ihre Instrumente relativ sauber und Gitarrist Renato verzichtet auf große Verzerrungsorgien. Hin und wieder sind sogar feine Melodien zu hören, die für gewisse Ohrwurmqualitäten der fünf Songs der EP sorgen. Gut gefällt mir auch das Englisch mit italienischem Akzent. Das verleiht dem Gesang eine angenehme Coolness und Lässigkeit. Meine Favoriten auf dieser gelungenen EP sind “Just let me know” und “Two sided triangle”. Ich hoffe, Renato und Alessio legen bald ein richtiges Album nach und verirren sich demnächst mal ins Rhein-Main-Gebiet.

THE VAGOOS – love you 10”/CD

Wenn ich “Love you”, die neue Scheibe der Vagoos, höre, und dabei die Augen schließe, sehe ich vier adrette junge Männer in schicken Cord und Tweed gehüllt, die Pilzfrisuren tragen und in meinem schwarz-weiß Röhrenfernseher ihre Körper etwas steif vor einer Sperrholzkulisse, die modern wirken soll, hin- und herbewegen. Was ich damit sagen will: Ich kenne kaum eine Band, die authentischer nach den Roaring-60s klingt als The Vagoos. Ich würde jede Wette darauf eingehen, man könnte jeden der sechs Songs von “Love you” nehmen und auf einen der Nuggets-Sampler packen und kaum jemand würde merken, dass die Aufnahme aus dem Jahr 2015 und nicht 1967 stammt.  

Das Debütalbum gefiel mir ja schon gut und die vorliegende 10” gefällt mir nicht minder. Sechs astreine Rhythm’n’Blues-Songs, die mal etwas psychedelisch klingen, wie bei “I guess you’re my girl”, mal etwas härter wie bei “Two Chords” oder mal Anleihen beim Country nehmen wie bei “Down & Out”. Mit “Vendetta” hat sich zudem ein waschechter Surfsong auf die Scheibe verirrt, der zwar heraussticht aber trotzdem gut reinpasst. Alles in allem ist “Love you” also eine feine Scheibe, die sich 60s-Fans nicht entgehen lassen sollten.

Alle Alben sind bei Off Label Records erschienen

Written by Falk Fatal

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