KAI UWE KOHLSCHMIDT – Im Wald und auf der Heide: Die Schicksale des Dorfes Jamlitz CD

Am kleinen Dorf Jamlitz lassen sich die Brüche der deutschen Geschichte beobachten. Kai Uwe Kohlschmidt hat sich auf eine gelungene und spannenden Zeitreise begeben.

Ein Jahrhunderthörspiel verspricht der Untertitel und hält dieses Versprechen doch nur halb. Denn genaugenommen handelt es sich bei Kai Uwe Kohlschmidts jüngster Produktion um eine historische Dokumentation. Und die ist wirklich gelungen. Denn am Gegenstand der radiophonen Zeitreise, dem kleinen Dorf Jamlitz in der Niederlausitz,  manifestieren sich die vergangenen 100 Jahre deutscher Geschichte.

jamlitzAuslöser für Glück und Unglück des Dorfes war der Bahnhof, der 1877 erbaut wurde, und Jamlitz mit Berlin verbanden. Weit ablegen inmitten unberührter Natur entdeckten gegen 1900 Berliner Künstler, allen vorn Franz Lippisch, das kleine Dorf und ließen sich dort nieder. Es entstand eine Künstlerkolonie. Als der Nationalsozialismus sich anschickte, die Welt in ein Schlachthaus zu verwandeln, blieb auch Jamlitz und seine Bewohner nicht verschont. Während die einen zu strammen Kameraden oder zumindest schweigsamen Mitläufern wurden, gab es auch Widerständler, wie den Schriftsteller Gunther R. Lys, der für seine Überzeugungen ins KZ musste. Ab 1940 baute die SS in Jamlitz einen Truppenübungsplatz, um für den Endsieg zu üben. Dafür brauchten sie Arbeiter und die wurden mit Zügen ins Dorf gebracht, wo eigens ein Arbeitslager für sie errichtet wurde und das zum KZ Sachsenhausen gehörte. Rund 6.000 jüdische Arbeitssklaven wurden insgesamt nach Jamlitz deportiert, wo viele von ihnen durch Arbeit getötet oder später weiter in Gaskammern Auschwitz transportiert wurden.

Als die Verluste an der Ostfront immer größer wurden und die Nazis vor der heranrückenden Roten Armee flohen, diente das Arbeitslager plötzlich als Unterbringung für die Fliehenden. Als schließlich die Rote Armee Jamlitz erobert hatte, wurde aus den Arbeitsbaracken das Spezialager Nr. 6, in dem Nazis niederen Ranges und Mitläufer inhaftiert wurden. Knapp ein Drittel davon starb. Seit etwas mehr als zehn Jahren schließlich dient der Bahnhof nicht nur als Dokumentationsstätte, sondern auch als Bildungsstätte  des Karuna Vereins, der versucht Straßenkinder zurück in die Gesellschaft zu holen und ihnen im Bahnhof ein Zuhause bietet.

Mehr als 40 Zeitzeugen kommen auf den beiden CDs zu Wort, darunter Dorfbewohner, Überlende des Kzs und des Speziallagers sowie Straßen- und Künstlerkinder. So entsteht eine vielschichtige Collage, die mehr als gelungen, die Geschichte des kleinen Dorfes erzählt. Ich war wirklich gebannt von dem Hörspiel und habe es trotz mehr als zwei Stunden Spielzeit in einem Rutsch durchgehört. „Im Wald und auf der Heide: Die Schicksale des Dorfes Jamlitz“ ist wirklich empfehlenswert.

„Im Wald und auf der Heide: Die Schicksale des Dorfes Jamlitz“ ist beim Major Label erschienen

Written by Falk Fatal

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