Prokrastination 2015 Teil 1

Das letzte Vierteljahr 2015 hielt so einige Überraschungen für mich bereit, die ein Teilgrund waren, weshalb ich den ein oder anderen Tonträger für Trashrock noch nicht besprochen habe und das erst jetzt nachhole. Doch nicht nur das. Sondern auch die Gewissheit hier nichts vorliegen zu haben, was auf gar keinen Fall aufgeschoben werden kann und trotzdem abgearbeitet werden möchte. Was ich genau meine, lest ihr nun hier:

Shellycoat drängten sich bei mir nicht in den Vordergrund, weil sie ihr DIY aufgenommenes Album „Neonsomnia“ in ein wahrlich grauseliges Artwork gepackt haben. Wieso hat da das Label Fond Of Life nicht interveniert? Etwa, weil sie ihren Künstlern volle Freiheit lassen? Falls ja, wisst ihr jetzt warum Musiker halt beim Musik machen bleiben sollen und bis auf wenige Ausnahmen nicht alles können. Denn der so called female fronted Poppunk ist erfreulich ordentlich. Da hat man im Gegensatz zum Layout wohl etwas Kohle in die Hand genommen und das eigene Können beim Mastern unterstrichen. Klassischer Fall von „Außen pfui, Innen hui“.

Beim Duo Die Halbzeit verhält es sich ähnlich. Als Plattencover hat man nen zerfledderten Teddy gewählt, der in nen Drahtzaun gezwängt hängt und dem Kohle aus der Wampe quillt. Dazu der Bandnamen in ner Schrift, für die selbst Leute ohne Geschmack viel Zeit brauchen, um sie online irgendwo zu finden – über die Zeitungsschnipsel-Collage des Albumtitel hüllen wir den Mantel des Schweigens. Doch im Gegensatz zu Shellycoat wird die Musik nicht besser. Gut, der Anti-Nazi-Song ist nett, aber wer beginnt denn heute bitteschön noch die erste Strophe des Openers mit „Rauchen, Saufen, Fliesentisch – wir sind die deutsche Unterschicht“ und überlässt dabei dem Hörer die Wahl, ob das alles nun Spaß oder Ernst ist? Also bis zum Ende der CD und nicht während dem ersten Lied, bleibt diese Frage offen! Gelacht habe ich wahrlich nicht.

Ein Grinsen im Gesicht hatte ich, als mein CD-Player „The Mad Scum Rises“ von Scum And Nancy nicht angenommen hatte. So ein liebes Technikteil, das mich vom Inhalt dieses bedeutungsschwangeren Machwerks verschont hatte. Nach dreimaliger Verweigerung, ließ ich den Player gewähren und beendete meine Aufgabe mit einem zufriedenen Seufzer. Wobei ich doch mal gerne reingehört hätte, um den ersten Eindruck Lügen strafen zu können. Aber so halt nicht.

Monoshoques „Gezeiten“ wurden mir jedoch nicht vorenthalten und ich freute mir nahezu ein zweites Loch in den Kopf, als ich las, was die Band schon alles „erreicht“ hat: Einen Rock-Am-Ring-Auftritt sowie Toursupporte für Heisskalt und Jupiter Jones, plus den Rockbuster Musikerförderpreis aus Rheinland Pfalz. Na herzlichen Glückwunsch du Infoblatt-betiteltes „alternatives Popgewitter“.

Alternativ blieb es bei Cold Reading, die meine langsam schlechter werdende Laune etwas auffingen. Denn hier steht der Rock im Vordergrund. An seinen besten Stellen erinnert der mich sogar an die seligen Petrograd, was nicht zuletzt am Gesang liegt. Trotzdem überzeugen mich die neun Lieder nicht wirklich, weil die Schweizer doch zu wenig aus dem Quark kommen, was bei solch einer Anzahl von Liedern ganz schön am Geduldsfaden zerrt.

Beinahe die Zornesröte ins Gesicht trieben mir daraufhin O Captain! My Captain! Was als folkiges Singer-/Songwriter-Gedudel begann und folgerichtig heute ne lagerfeuerkompatibele Band ist, nervt unheimlich mit seinem verständigen Getue und dieser verfickten Pfadpfinderklampfe im Mittelpunkt des Geschehens. Und wer hätte es gedacht, hinter dem poppigen Indie-Hipster-Sound stehen Hollister-Pulli tragende Bachelorstudies mit szenetypischen Dreitagebart, die sicher völlig aufgeklärt sind und denen alles scheißegal ist, weil man ja ohnehin nix ändern kann.

Auch wenn der Titel „Satyagraha“ von Paranoids neuestem Album sinngemäß in die gleiche Kerbe haut, da es sich bei dem Ausruck um den gewaltlosen Protest Mahatma Gandhis handelt, der bis zuletzt auf die Wahrheit beharrt, so kam es nicht zum befürchteten Tobsuchtsanfall. Stattdessen kochten mich die Schweden mit ihrem Blackmetal-Gewemse mit stellenweisem großartigen D-Beat-Parts kurzerhand auf Zimmertemperatur herunter.

So rang ich Fallbrawls „Choas Reigns“ gerade noch den nötigen Respekt ab. Weil Deathmetal-Growls mit technisch aufgeladenen Tough-Guy-Gehampel kann ich leider auch nichts abgewinnen.

Ich denke ihr versteht nun, warum ich mir mit diesen Tonträgern Zeit gelassen habe, sie zu besprechen.

Demnächst folgt Teil 2, der aus ganz anderen Gründen auf sich warten lässt und mit eindeutig besseren Tonträgern aufwartet.

Written by Bocky

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