„Dieses Hi-Energy Ding finde ich sehr reizvoll“

The Razorblades aus Wiesbaden zählen nicht nur für mich zu den besten Surf-Bands in Europa. Wie nur wenige andere Bands des Genres versteht es Mastermind Martin Schmidt die gerne im Traditionellen verharrende Musik mit energischem Gitarrenspiel und musikalischer Offenheit ins 21. Jahrhundert zu transportieren, wie man auf dem neuen Album „New Songs For The Weird People“ sehr gut hören kann. Heute Abend wird die Platte im Rahmen des Rock’n’Roll Noizefests im Kulturpalast Wiesbaden vorgestellt. Bevor es aber losgeht, hat Martin noch die Zeit gefunden, dem Trashrock Mag einige Fragen zu beantworten. Vielen Dank dafür.

Martin, Du hattest mal gesagt, dass Menschen, die mit Surfmusik nichts am Hut haben, immer denken, Du würdest etwas Beach-Boys-mäßiges machen. Hat sich das mittlerweile geändert?

Nein, bis ans Ende unserer Tage werden uns wohl zwei Fragen gestellt: „Surf? Das ist sowas wie die Beach Boys, oder?“ Und „Warum singt ihr so wenig?“. Für den Normalbürger ist instrumentale Rockmusik  nach wie vor ein eher avantgardistisches Konzept, aber wer ein Konzert von uns besucht, sieht das danach meistens anders und hat Spaß an der Musik.

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Martin Schmidt aka Rob Razorblade ist die einzige Konstante der Band. Macht aber nix, da er gleichzeitig Vater und Mutter der Surf-Punks ist. Bild: Torsten Geyer

Wie erklärst Du diesen Menschen dann, was Surf-Musik ist?

Wir bezeichnen unseren Stil mittlerweile als Surfpunk, eine Mischung aus Punkrock-Grooves und Instrumental-Melodien mit hohem Energiefaktor. Für den ganz unbedarften Hörer muss meistens der Pulp Fiction-Vergleich herhalten, aber da der Film mittlerweile schon 22 Jahre alt, funktioniert das je nach Alter nur noch bedingt. Glücklicherweise werden wir aber immer mehr als THE RAZORBLADES wahrgenommen und nicht mehr allgemein als Surfband.

Und was fasziniert dich überhaupt an dieser Art von Musik?

Mich faszinieren drei Sachen: zuerst der Gitarrensound, dieser klare, große Twang-Sound mit viel Hall und Echo, der für mich immer ein Gefühl von Weite vermittelt und so ein gewisses Wüsten-, Ozean- oder Western-Feeling hat. Da reicht oft eine Note und es klingt cool. Dann finde ich dieses Hi-Energy-Ding sehr reizvoll, kurze, schnelle Songs, die ohne Firlefanz auf den Punkt kommen – eine ganz klare Parallele zum Punkrock. Zudem finde ich es als Gitarrist sehr spannend, einen Song nur mit der Gitarre zum Leben zu erwecken, also ohne Worte/Lyrics durch verschiedene Sounds und Spieltechniken ein Gefühl rüberzubringen, das die Zuhörer berührt. Im Gegensatz zur üblichen Rolle eines Gitarristen in der Band muss man sich da ganz schön anstrengen. Wir spielen ja nur im Trio und ich muss Melodie und Akkorde gleichzeitig abdecken. Das ist eine Herausforderung, macht aber auch Riesen-Spaß!

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The Razorblades live im Bett Frankfurt. Bild: Torsten Geyer

Die einzige Konstante in der Besetzung der Band ist der Wandel. Mit Ralph und Randy Razorblade hast du wiedermal neue Mitstreiter an Bord. Nervt dieser Wechsel nicht irgendwann?

Diese Sichtweise halte ich für etwas übertrieben. Wir haben immer ein paar Jahre in fester Besetzung gespielt. Da ich alle Songs schreibe und mit meiner Gitarre die Stimme bin, ist da musikalisch sicherlich ein konstantes Konzept am Start. Ein Wechsel der Besetzung ist in vielen professionellen Bands auch normal – Mitglieder bekommen andere Angebote, wollen ihr eigenes Projekt starten oder haben eben eine andere Vorstellung vom Leben als 30 Wochenenden im Jahr durch Europa zu fahren. Die meisten Wechsel haben die Band letztendlich besser gemacht, ich war noch nie so nah dran an meiner musikalischen Vorstellung wie beim neuen Album! Von daher nervt es nicht, sondern ist eher ein Teil der Realität einer professionellen Band, die wenig mit der romantischen Vorstellung von drei Freunden im Proberaum gemein hat….

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Randy Razorblades zupft den Bass, hier live im Bett Frankfurt. Bild: Torsten Geyer

Stell die beiden Neuen doch mal vor?

Ralph Razorblade spielt seit mittlerweile 4,5 Jahren mit uns und war auch schon auf dem letzten Album zu hören. Er kommt aus Köln, mag Fußball und spielt in seiner Freizeit neben den Razorblades gerne Jazz und brasilianische Musik. Randy Razorblade ist auch schon seit 2008 immer wieder dabei, erst als Aushilfe und seit 2015 als hauptamtlicher Bassist, da er bezüglich seines Jobs ein paar Änderungen vorgenommen hat. Wir kennen uns seit über 20 Jahren und haben schon in diversen Bands zusammengespielt. Neben den Razorblades hegt er ein geheimes Faible für Glam-Rock, von Kiss bis Motley Crue, das uns bei langen Fahrten immer wieder erheitert und gut unterhält.

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Ralph Razorblades spielt die Drums, hier live im Bett Frankfurt. Bild: Torsten Geyer

Und wie viele Mitglieder haben seit 2002 bei den Razorblades schon gespielt?

Insgesamt waren es in 14 Jahren Bandhistorie 5 Drummer, 8 Bassisten und zwei Rhythmusgitarristen am Start.

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So schaut es aus das neue Album. Verantwortlich für die hübsche Gestaltung ist übrigens Julian Weber.

Für mich klingt „New Songs for the weird people“ nach einem energiegeladenen, abwechslungsreichen Surf-Album. Puristen dürften die Nase rümpfen.

Für mich ist das unser experimentellstes Album. Es gibt zwei Songs mit Leadvocals, verzerrte Drums, Reggae-, Ska-, Disco-, Punk und Pop-Grooves sowie äußerst vielfältige Gitarrensounds, die so manchen Surfpuristen erschrecken dürften. Ich versuche mich da nicht mehr durch irgendwelche Szene-Klischees einschränken zu lassen, sondern mache einfach das, worauf ich musikalisch Lust habe. Aber natürlich hört das jeder anders.

Ihr seid permanent auf Tour. Wahrscheinlich kennst Du die europäischen Autobahnen besser als Wiesbadens Straßen. In der Szene geltet ihr als eine der besten Bands des Genres. Wird das in Deiner Heimatstadt genügend gewertschätzt?

Hmm, mittlerweile gibt es schon viele positive Rückmeldungen. So wurde ich zum Beispiel jetzt zweimal als Dozent für Musikbusiness eingeladen, um über meine Erfahrungen mit THE RAZORBLADES zu berichten, wir haben beim Stadtfest Wiesbaden gespielt und viele Leute kennen die Band. Da wir eher in einer Underground-Nische aktiv sind, weiß ich nicht, ob sich der Großteil der Wiesbadner für das interessiert, was wir machen, aber wir freuen uns über jeden, der zur Releaseparty am 19. März kommt. Angebote fürs Wilhelmsstraßen- oder Kranzplatzfest nehmen wir auch gerne an, Wiesbaden braucht mehr Rock’n Roll!

Definitiv. Davon kann es nicht genug geben. Eure Songs sind meist ohne Gesang tragen aber trotzdem blumige Namen. Wie kommst Du auf die Titel? Geben die dann das Gefühl wieder, das Du beim Schreiben hattest. Oder setzt du dich vor einem neuen Album hin und verteilst dann irgendwelche Titel?

Ich finde es sehr wichtig bei Instrumentalmusik, dem Hörer mithilfe eines guten Titels eine Idee von der Stimmung zu geben, die der Song vermittelt. Um es jetzt mal ganz ambitioniert zu sagen so eine Art Assoziationsrahmen, haha. Die Titel entstehen auf ganz unterschiedliche Weise: mal fällt mir direkt beim Komponieren ein Titel ein, mal hab ich unterwegs durch irgendeine Begebenheit, Person oder Situation eine Idee für einen Titel oder jemand gebraucht einen Ausdruck, den ich interessant oder lustig finde. Dann notiere ich mir den in meinem iPhone und warte bis der passende Song dazu auftaucht. Manchmal muss man auch auf die 20151219_KP_POSTER_A6_002Suche gehen und versucht rauszufinden, welches Gefühl ein Song einem selbst vermittelt und  bastelt dann aus den Assoziationen einen Titel. Es ist auf jeden Fall ein sehr bewusster Prozess. Die Titel sind auch für die Live-Show wichtig, denn so kann man kleine Geschichten zum Song erzählen, ironische Bemerkungen oder auch mal so einen gesellschaftlichen Standpunkt unterbringen wie „Too Much Money Is Bad For Your Complexion“. Das macht es auch dem Zuhörer einfacher, sich auf Instrumentalmusik einzulassen.

Ihr habt in halb Europa und in den USA gespielt. Welches Land oder Kontinent würdest du gerne mit den Razorblades noch bereisen?

Im Laufe der Zeit hat es sich für uns als am besten erwiesen in Ländern zu spielen, die man in einem Tag mit dem Auto erreichen kann – das hält den Stress und die Kosten im Rahmen. Es wäre sicherlich interessant mal in Russland, Osteuropa oder China zu spielen, aber auf dem DIY-Level, auf dem wir uns bewegen, würde das höchstwahrscheinlich finanziell überhaupt nicht aufgehen….Sponsoren oder das Goethe-Institut können sich aber gerne melden.

Am 19. März spielt ihr eure Release-Show im Kulturpalast Wiesbaden. Was dürfen die Besucher erwarten?

Ein cooles Rock’n Roll-Festival mit drei tollen Bands, einem guten DJ und Rahmenprogramm – von Haareschneiden über einen kleinen Vintage-Markt und ein Barbecue ist alles dabei und gegen 20.00 spielen THE RAZORBLADES noch ein kurzes Akustik-Set…auch eine Premiere für uns. Wir hoffen viele Freunde zu sehen und freuen uns auf einen tollen Tourauftakt in Wiesbaden!

Vielen Dank für das Interview! Einlass im Kulturpalast ist um 18 Uhr. Mit am Start sind zudem The Jancee Pornick Casino und Pirato Ketchup.

Written by Falk Fatal

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