Back To Future Festival 2016

Ein Artikel über das beste deutsche Punkfestival Back To Future

Das Back To Future Festival Ljne up 2016

Das Back To Future Festival Line up 2016

Seit das Back To Future Festival vor ein paar Jahren auf drei Tage verlängert hat, habe ich es bislang noch nicht geschafft das Festival in ganzer Länge zu genießen. Dieses Jahr hat das auch nicht geklappt. 2015 sah ich deshalb nicht, wie Anti Flag mit Schlagzeug und Gitarre mitten im Publikum standen. Dieses Jahr darf ich mir freitags anhören wie toll Lord Wolga am Tag zuvor war. Nein, das ist kein Geheimtipp eines großen Indielabels, der demnächst durch die Decke geht, sondern die gemeinsame Sache von Lord James und Johnny Wolga. Zwei Punkbands, die sich sozusagen als Big-Band zusammenschlossen und extra für das Festival was eigenes einstudiert haben. Als bekennender Johnny-Wolga-Fan natürlich doof, dass ich auch dieses Jahr am Freitag passen muss!

Der Freitag auf dem Back To Future Festival

Lecker Kotzreiz leider viel zu früh am Tag

Lecker Kotzreiz leider viel zu früh am Tag

Joey Shithead ist alles andere als ein alter rostender Kerl

Joey Shithead ist alles andere als ein alter rostender Kerl

Dafür ist die Freude am zweiten Festivaltag groß, rechtzeitig bei Kotzreiz vor der großen Bühne zu stehen. Wenig überraschend küssen sich die drei Bandmitglieder bevor sie in den ersten Song stürzen. Dabei ist es immer wieder schön zu sehen wie unterschiedlich das Publikum darauf reagiert. Von verwundert, über „Pfui Spinne“, bis zu „Mir doch egal“, ist alles dabei. Darüber hinaus merkt man, dass es vielen anderen geht wie mir: Sie kommen gerade an und sind noch nicht richtig akklimatisiert. Es ist eben erst Freitag-Spätnachmittag. Für ein Kaliber wie die Berliner natürlich schade, sicher hätte nicht nur ich sie viel lieber später und womöglich im Zelt gesehen. Dort folgen nach 40 Minuten Hauptstadt-Schabernack die kanadischen Hardcorepunks D.O.A.. Also jene Kanadier um Joey Shithead, der die Band 1978 gründete. Hut ab vor dessen Bühnenauftritt! Denn der ist für seine 60 Lenze noch durchaus gut in Schuss. Die ganze Zeit mosht er vor ich hin, wenn er nicht gerade die Gitarre auf dem Rücken oder mit den Zähnen spielt. Da hat einer nach wie vor große Lust auf der Bühne zu stehen. Glück für all jene, die ihn bis dahin noch nie gesehen haben, dass er seinen Rücktritt vor einiger Zeit rückgängig machte.

Kesselpunk Martin (links) geht direkt auf Tuchfühlung mit Subkultura-Nico

Kesselpunk Martin (links) geht direkt auf Tuchfühlung mit Subkultura-Nico

Sowohl COR, als auch T.S.O.L. sehe ich leider bloß im Vorbeigehen oder höre sie aus der Ferne. Denn irgendwann mussten die Drei-Zimmer-Küche-Bad (Zelt) mit meinem Begleiter Martin (checkt mal den YouTube-Kanal Kesselpunks) aufgebaut werden. Vor uns hinfrickelnd, kommt die ein oder der andere Person zum Plausch vorbei, weshalb ich in der noch gut gefüllten Kühlbox irgendwann auf die Flasche Pfeffi treffe. Die hatte ich extra für Kotzreiz-Chris eingepackt. Einerseits weil Pfeffi nicht mein favorisierter Drink ist – die Buddel war ein Geschenk –, andererseits weil wir gerne Kurze miteinander trinken. Bloß höre ich, dass die Bande schon abgehauen ist. Schade für Chris und mich, da wir gerne gemeinsam Kurze trinken, toll für das durstige Gezuppel um mich herum. Keine zehn Minuten später muss ich mir keine Gedanken mehr darüber machen wie ich das Mundwasser loswerde, denn es ist leer. Danke an die Helfer um mich herum, auf euch kann ich mich in Notlagen verlassen! Zu Booze & Glory zieht es mich wieder in das Livegeschehen hinein. Doch die Aufmerksamkeit beibehalten kann ich nicht. Ehrlich gesagt hatte ich mir von einer der angesagtesten Skinheadbands der Jetztzeit wesentlich mehr erwartet. Wirklich schade, wenn die einfach bloß nen schlechten Tag gehabt hätten. Denn solchen Gruppen reise ich in der Regel nicht hinterher.

Telekoma, eine der drei besten Bands des Festivals

Telekoma, eine der drei besten Bands des Festivals

Telekoma im Anschluss entschädigen mich nicht nur dafür, es geht deutlich darüber hinaus. Sie sind eine der drei Topbands des Festivals. Dieser geniale Mix aus Toxoplasma-Musik und The-Restarts-Gesang! Für mich zur Zeit der aller-oberbeste Deutschpunk, den es gibt. Ich kenne wirklich wenige Menschen, denen ich diese tief verwurzelte schlechte Laune, so abnehme wie Sänger Ben. Neben der Bühne übrigens ein äußerst stabiler Typ, den man mögen muss – ansprechen ist sicher erlaubt, beißen tut er soweit ich weiß nicht.

Wo ist bei Volxsturm der Oi! geblieben?

Wo ist bei Volxsturm der Oi! geblieben?

Immer wieder zu sehen: Punks 'n' Skins united

Immer wieder zu sehen: Punks ’n‘ Skins united

Ebenfalls deutsch singen Volxsturm. Deren Hits sind recht pathetisch und besitzen einfache Refrains zum Mitsingen. Ich finde die Band aufgrund ihrer Geschichte interessanter, weil es sie schon über 20 Jahre gibt, als wegen ihrer Musik. Letzteres wurde mir einfach zu rockig, der Oi! blieb dabei etwas auf der Strecke. Viel dicker kommt es für mich nach der Umbaupause mit den Drunk Reggaes Jaya The Cat. Die mittlerweile in den Niederlanden ansässigen Amis erfüllen damit alle Klischees. Deswegen wäre es für mich keinerlei Verlust gewesen, wenn auch das dritte Engagement nicht geklappt hätte. Aber gut, so habe ich Zeit mal meine Jacke zu holen. Bis ich diese aus dem Zelt herausholen kann, zerre ich erstmal den Herrn Kesselpunk dort hinein. Der schlummert dort nämlich schon. Schade, dass ich keinen Edding dabei habe.

Wölfis Plauze deluxe

Wölfis Plauze deluxe

Für den ersten großen Headliner Die Kassierer bin ich gut gewappnet. Die Jacke ist an, die Lampen ebenfalls und ich habe ein weiteres Biergetränk in der Hand – kann also losgehen. Geht es dann auch und ich grinse, lache, guck‘ dumm aus der Wäsche und all der andere Firlefanz obendrauf. Ich bin zufrieden. Himmelhochjauchzend aber schon lange nicht mehr, dafür kenne ich die Bande schon zu lange. Andere stattdessen sind enttäuscht und finden Wölfi plus Anhang würden nachlassen. Hm, das wirkt auf ich nicht so. Vielmehr denke ich, den meisten geht es ähnlich wie mir, sie gehen bloß anders damit um: Sie kennen Wölfi und Konsorten schon ewig und sind wenig überrascht. Kein Wunder, schließlich gammeln die schon seit über zwei Jahrzehnten in der Punkszene und darüber hinaus herum. Insofern erwarte ich von der Gruppe schon lange keine neue Art des Buchdrucks mehr. Darum kann ich bei deren Songs entweder debil grinsend entspannen oder laufe halt einfach weg. „Denkt mal drüber nach“ würde an dieser Stelle jemand anderes aus einem gedruckten Fanzine schreiben.

Überaus vieles schickes Publikum

Überaus vieles schickes Publikum

Ohne lästige Wartezeit mache ich mich bald auf den Weg ins Zelt, wo nun die Glampunks Giuda die ersten Töne raushauen. Denen folge ich bis zum Schluss. Denn was die Italiener abfackeln ist wirklich allererste Sahne! Ohne groß Blabla reißen sie mit ihren Songs wirklich alle mit, die es um ein Uhr nachts noch ins Zelt schaffen. Für Giuda scheint es fast selbstverständlich zu sein, dass sie das noch zahlreich erschienene Publikum derart fesseln. Immer wieder fordern sie dieses zum Mitfeiern und Mitgehen auf. Doch nicht mit Klatschappellen oder sonstigem Gedöns, sondern mit abartig guten Songs, die tight gespielt sind und einem außergewöhnlichen Frontmann, der, wenn er nicht singt, die eigene Musik feiert, wie selten ein anderer Sänger. Wer Giuda an dem Abend nicht gut findet, ist definitiv taub und blind oder hat mit Gitarrenmusik nix am Hut. Basta, wie der Italiener zu sagen pflegt!

Giuda, einfach bloß gut

Giuda, einfach bloß gut

Der Samstag auf dem Back To Future Festival

Schnell mal durchgekehrt und weiter geht's

Schnell mal durchgekehrt und weiter geht’s

Erstmal im Schwimmbad locker machen

Erstmal im Schwimmbad locker machen

Der Samstag beginnt mit dem eigentlichen Headliner, der jedes Jahr nur hier anzutreffen ist: Das Waldschwimmbad. Wer mich kennt, der weiß, dass ich drei Dinge in Glaubitz ganz außergewöhnlich schätze. Erstens ist das die superlässige Stimmung zwischen Gästen, Crew und Bands; Zweitens das Essen auf dem Zeltplatz, weil es kein Convenience-Knatsch aus der Plastikverpackung ist, sondern Selbstgekochtes und Selbstgeschmiertes von den Dorfbewohnern; Und Drittens eben das Waldschwimmbad, das ich immer wieder erwähne und betone, wenn ich auf das Festival angesprochen werde. In der Regel, und so auch diesmal, pilgert dort nahezu das komplette Publikum morgens hin, um in aller Ruhe den Tag angehen zu lassen. Neben der Vollverpflegung mit Getränken und Essen, findet seit letztem Jahr auch ne Punk-Rock-Karaoke statt. Der ursprüngliche Plan ne halbe Stunde zu singen und dann ne Pause zu machen, haute auch diesmal nicht hin. Einmal begonnen, gibt es kein Halten mehr, und die sympathische Backingband muss circa zweieinhalb Stunden durchhalten. Wer darauf aber keine Lust hat, kann sich bequem in eine ruhigere Ecke verziehen.

Der Karaoke-Opener ist Teenage Kicks von The Undertones

Der Karaoke-Opener ist Teenage Kicks von The Undertones

Bald darauf Kesselpunk-Martin mit Bier gegen Bullen von Mülheim Asozial

Bald darauf Kesselpunk-Martin mit Bier gegen Bullen von Mülheim Asozial

Ich folge dem Schauspiel jedoch nicht bis zum Ende, weil ich den heutigen Opener FCKR (sprich Ficker) sehen möchte. Ein Trio aus Leipzig mit Deutschpunktexten, die aus den Achtzigern stammen könnten. Musikalisch sehr drum- und keyboardlastig, wodurch es arg nach Elektropunk klingt, es aber nicht ist. Wie dem auch sei, bisher habe ich hier noch nie eine Band mit diesem Slot gesehen, die mehr als 20 bis 30 Zuschauer hat, weil normalerweise alle noch im Schwimmbad hocken, gammeln und von dort zuhören. Das Wasser ist nämlich maximal 150 Meter Luftlinie entfernt. Umso überraschter bin ich, als außer mir, immer mehr Fans vor die Bühne strömen. Zu guter Letzt bewegen wir uns bei weit über 100 Personen! Ich freu mich für die Band und kann die außer mir Anwesenden schon nach dem dritten Lied vollkommen verstehen. Sie kannten FCKR wohl schon länger, ich nicht, euch kann ich sie bloß empfehlen.

FCKR, eine der Top-Drei-Bands dieses Jahr

FCKR, eine der Top-Drei-Bands dieses Jahr

Von dem China-Import aus Wuhan habe ich mir mehr erhofft

Von dem China-Import aus Wuhan habe ich mir mehr erhofft

Degenerations Streetpunk lasse ich fast ausfallen, ich denke ein Lied gilt nicht als „hab‘ ich gesehen“. Die Chinesen SMZB halten mich länger vor der Hauptbühne. Aber nur aufgrund des „Exotenbonus“. Denn sonst sind das die chinesischen Real McKenzies. Darum ist es nicht verwunderlich, dass andere schon bald wieder von dannen ziehen. Lustig ist aber die Ansage, dass sie Hunde mögen und nicht essen würden. Ähnlich begeistern mich die schwedische Hardcorepunk-Legende Asta Kask und die Engländer Infa Riot. Das ist alles nett und gefällig, bloß leider nicht mehr. Den Bands ist anzumerken, dass sie es schade finden, nicht abgefeiert zu werden. Doch sind wir mal ehrlich, wenn die auf einer Standard-Tour sind, kommen unter der Woche keine 100 Personen, um sich diese alte Helden anzuschauen. Obendrein, wenn sie damals schon nicht zur ersten Riege gehörten. Entsprechend spare ich mir Chelsea gleich ganz und widme mich dem Schnaps-Glücksrad. Natürlich verliere ich und darf der ganzen Besatzung einen ausgeben. Da Conni und Basti beteiligt sind, mache ich das auch richtig gerne.

Glücksrad, eine überaus sinnvolle Beschäftigung

Glücksrad, eine überaus sinnvolle Beschäftigung

Basti und Conni, Teile der Gewinnercrew

Basti und Conni, Teile der Gewinnercrew

The Casualties als The-Exploited-Ablöser im neuen Jahrtausend lasse ich mir nicht entgehen. Die New-Yorker-Gutterpunks laufen mir gut rein, weil sie heute die erste Band sind, die so richtig auf die Pauke hauen. Sänger Jorge klingt räudig wie eh und je. Sieht leider auch immer mehr so aus, da er sich keine Mühe mehr mit seinen Haaren gibt – der abgeranzte Kaputzenpulli rundet das Bild ab. Trotzdem habe ich nach knapp 40 Minuten genug, mir ist eine volle Stunde Geballer zuviel. Stattdessen schließe ich mich Martin Kesselpunk, Subkultura Nico und Kumpel Simon an einer Theke an.

The Casualties, außen pfui, live zu lange hui

The Casualties, außen fast pfui, live zu lange hui

Dort philosophieren wir, wie man das auf Festivals eben so macht und bemerken erst nach rund der Hälfte des Slime-Sets, dass eben jene ziemlich viel Spaß auf der Bühne haben. Dem zweiten Teil folgen wir aus der Nähe und der Eindruck von eben bestätigt sich. Slime übertragen ihre Laune auf das Publikum, sind druckvoll, machen gute Ansagen und wirken kraftvoll wie selten. Mal schauen, was von denen in nächster Zeit noch kommt. Themen und Aufhänger gibt es in letzter Zeit wieder mehr als einem lieb sein können.

Slime, alt und willig

Slime, alt und willig

Über die folgenden „Pillemann-Fotze-Arsch“-Local-Heroes aus dem Ruhrpott gibt es wie jedes Jahr das gleiche zu berichten: Die Lokalmatadore haben alles im Griff. Ob im Positiven, dass alle Mitsingen, Feiern, Saufen oder wasauchimmermachen bis kopfschüttelnd weglaufende Personen. Es ist wie jedes Jahr. Wenig unerwartetes, aber dazugehörend. Wer ein Ticket für das Back To Future kauft, muss wissen, dass die Lokalen irgendwann auf der Bühne erscheinen und das ist auch gut so!

Die Lokalmatadore, manche Rituale muss man pflegen

Die Lokalmatadore, manche Rituale muss man pflegen

Hinterher sind bei mir die Lampen weniger an als die Jahre zuvor, doch ich bin mindestens genauso platt. Dem fantastischen Wetter am Samstag zolle ich Tribut und trolle mich alsbald ins Zelt, ganz ohne OXO86 oder die Kumpels Stage Bottles aus Frankfurt am Main beäugt zu haben.

Es ist wie es ist, das Back To Future wird mich auch 2017 wieder sehen. Warum möchte ich jetzt nicht noch einmal wiederholen. Ich denke schon in der Überschrift wird deutlich, wie ich zu dem Festival stehe. Auch wenn das Line up mal nicht so dolle ist, dann geht man da trotzdem hin. Eben weil anderswo nicht alles so rund und von Grund auf sympathisch abläuft wie dort. In diesem Sinne liebe Grüße und Küsse an die Glaubitzer Halunken und Halunkinnen. Die besten Bands dieses Jahr waren: Telekoma, Giuda und FCKR.

Infopoint zum Back To Future Festival:

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Fotocredits:

Ein paar von mir, Scheinwelten Photography oder Drachenkind-Konzertfotografie – danke für die Bilder.

Written by Bocky

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